Science-Fiction wird real: Forscher haben eine künstliche Intelligenz entwickelt, die dem berüchtigten Computer HAL9000 aus „2001 – Odyssee im Weltraum“ ähnelt – zumindest in seiner Funktion. Denn „CASE“, so der Name der künstlichen Intelligenz, soll künftige Raumbasen auf dem Mond oder Planeten steuern und verwalten. In einem ersten Test hat CASE eine simulierte Raumbasis bereits erfolgreich gemanagt – ohne die virtuelle Besatzung zu töten.
Er ist einer der berühmteste Computer der Science-Fiction: „HAL9000″, der intelligente Bordcomputer aus dem Roman 2001 – Odyssee im Weltall“. In der Verfilmung von Stanley Kubrick aus dem Jahr 1968 ist diese künstliche Intelligenz durch ihr rotes Kameraauge allgegenwärtig. HAL9000 steuert nicht nur die Funktionen des Schiffs, er strebt auch nach einer optimalen Erfüllung der Mission. Weil er jedoch die menschlichen Astronauten dabei als Hindernisse sieht, versucht er sie zu töten.
Inzwischen sind künstliche Intelligenzen wie HAL9000 längst keine Zukunftsmusik mehr. Lernfähige Computersysteme werden bereits in vielen Bereichen eingesetzt – von der Datenauswertung, über die Medizin bis hin zur Steuerung und Entwicklung komplexer technischer Systeme.
Ein Computer als Stations-Manager
Jetzt hat ein Forscherteam um Pete Bonasso von der US-Firma TRACLabs Inc. Einen echten „Urenkel“ von HAL900 entwickelt – ein KI-System, dass wie sein Science-Fiction-Vorbild eine Raumstation oder Planetenbasis kontrollieren soll. „Wenn Menschen mich fragen, woran ich arbeite, ist die einfachste Antwort: ‚Ich baue HAL9000′“, sagt Bonasso.
Das „cognitive architecture for space agents“ (CASE) getaufte System soll künftige Astronauten auf Mond oder Mars unterstützen, indem es die technischen Funktionen und Lebenserhaltungssysteme ihrer Station selbstständig managt. Die Spanne der Aufgaben reicht dabei vom Öffnen einer Luftschleuse über die Überwachung der Sauerstoff- und Stromerzeugung bis zur Steuerung autonomer Rover, wie Bonasso erklärt.
KI-System mit drei Ebenen
Damit CASE diese Aufgaben bewältigen kann, besteht das System aus drei Hauptebenen. Die unterste Ebene ist direkt mit der Hardware der Station verknüpft, sie kann darüber Geräte und Subsysteme ein- und ausschalten, robotische Greifer bewegen oder Türen öffnen und schließen. Die zweite Ebene umfasst die Prozeduren, die für Routineaufgaben und die Erhaltung der Station nötig sind.
„CASE hat beispielsweise Prozeduren, die regeln, wie er Akkus mit Strom versorgen kann, einen Rover laden und zur Probennahme schicken oder die Sauerstofferzeugung und Kohlendioxid-Filtersysteme zu starten und zu unterhalten“, erklärt Bonasso. „Diese Routinen geben letztlich den Kontrollern der ersten Ebene die entsprechenden Befehle.“
Planen und Umplanen der Tagesaufgaben
Die dritte Eben ist komplexer: Sie verhilft CASE dazu, die am Tag anstehenden Arbeiten zu planen und zu koordinieren. „Beispielsweise, wenn Luftfilter ausgewechselt werden müssen und Astronauten mit dem Rover zu einem nahen Seebecken fahren wollen, um dort Proben zu nehmen“, so der Forscher. Der Stationscomputer muss dann mithilfe seiner dritten Ebene ermitteln, welche Prozeduren für die Bewältigung dieser Aufgaben nötig sind und in welcher Reihenfolge.
„Unser System kann aber nicht nur die Aktivitäten rund um die Planetenbasis auswählen und planen, er kann auch automatisch umplanen, wenn Probleme auftreten wie kaputte Motoren oder ein sich anbahnender Staubsturm“, betont Bonasso. Damit CASE all dies leisten kann, steht hinter den drei Ebenen ein übergreifendes „Ontologie-System“ – eine Datenbank mit Wissen, die selbständig intelligente Verknüpfungen erstellen kann.
Dialog mit den Astronauten
Eines der typischen Merkmale von HAL9000 war seine Stimme: Der legendäre Computer hörte und verstand die menschliche Sprache und antwortete auch – mit einer fast schon einschmeichelnd weichen Stimme. Auch CASE ist zu einem solchen direkten Dialog fähig. „Wir haben ein Dialog-Managementsystem entwickelt, das es Menschen erlaubt, Fragen zu stellen, Befehle zu erteilen oder vor drohenden Gefahren gewarnt zu werden“, erklärt Bonasso.
Der Dialog-Manager bildet die Schnittstelle zum Rest des Systems – hat er verstanden, was der Astronaut will, dann tritt der Rest von CASE in Aktion. „Wenn wir CASE daher bitten, die Hangartore zu öffnen, würde er im Gegensatz zu HAL9000 antworten ‚Aber sicher, Dave‘ – denn wir haben nicht vor, Paranoia in dieses System zu integrieren“, sagt der Forscher.
Nächster Einsatz bei Analog-Missionen
Noch ist CASE ein Prototyp, doch einen ersten Test hat der künftige Stationscomputer schon bestanden: Er verwaltete und kontrollierte vier Stunden lang erfolgreich das computersimulierte Modell einer Raumbasis. Als nächsten Schritt wollen die Forscher ihr KI-System bei Analog-Missionen der NASA testen. Bei solchen Missionen, beispielsweise in der Wüste, der Antarktis, am Meeresgrund oder auch auf Vulkangipfeln testen Forscher Geräte, Stationen und künftige Astronauten unter mond- oder marsähnlichen Bedingungen.
„Wir hoffen, dass CASE Schritt für Schritt in eine oder mehrerer solcher Analoga integriert werden wird, damit wir seine Eignung für künftige Weltraummissionen ermitteln können, sagt Bonasso. Zudem sei dies eine gute Gelegenheit für das KI-System, mehr über die Routinen und Tätigkeiten in einer solchen Station zu lernen. „Wir wollen einen Weg entwickeln, durch den CASE die Aktivitäten bei der Analog-Mission beobachten kann, sie speichert und dadurch lernt, wie eine solche Basis operiert.“
Ob CASE oder ein ähnliches Computersystem tatsächlich einmal Astronauten zum Mond oder Mars begleiten wird, ist noch offen. Doch Forscher wie Bonasso setzen auf ihre digitalen Stationsmanager. Für sie ist es ein lang gehegter Traum, reale Nachfolger von HAL9000 zu erschaffen – ohne dessen mörderische Tendenzen. (Science Robotics, 2018:; doi: 10.1126/scirobotics.aav6610)
(AAAS, 23.11.2018 – NPO)