Gegen die Angst: Forscher haben eine Smartphone-App gegen Höhenangst entwickelt. Mit dieser Virtual-Reality-App können Betroffene mit sich selbst eine Art Expositionstherapie durchführen: Die realen Drohnenaufnahmen lassen sich so verändern, dass der Nutzer virtuell in immer größerer Höhe steht. In einer ersten klinischen Studie erwies sich die App als erfolgreich: Die Patienten ertrugen nach dem Training angstfrei größere Höhen als zuvor, wie die Wissenschaftler berichten.
Höhenangst ist ein weit verbreitetes Phänomen: Rund fünf Prozent der Bevölkerung leiden unter extremer Angst bis hin zum Unwohlsein, wenn sie von großer Höhe hinabblicken, auf Balkons treten oder zu nah an das Geländer einer höheren Brücke gehen. Wie bei anderen Phobien kann eine Expositionstherapie gegen die Höhenangst helfen. Dabei setzen sich die Betroffenen in psychotherapeutischer Begleitung der gefürchteten Situation aus – beispielsweise indem sie immer größere Höhen ertragen.
Viele Menschen mit Höhenangst scheuen jedoch den Gang zum Psychotherapeuten, außerdem ist es in der Praxis oft nicht einfach, die Angst-Situationen nachzustellen und die Höhen nach und nach zu steigern.
Virtuell in immer größere Höhe
Hier kommt nun die neue Smartphone-App ins Spiel. Sie nutzt die Tatsache, dass inzwischen auch mit dem Handy Anwendungen der virtuellen Realität möglich sind. Dafür muss man das Handy nur in ein VR-Headset einsetzen. Dorothée Bentz von der Universität Basel und ihre Kollegen haben für ihre App zunächst aus unterschiedlichen Höhen 360-Grad-Panoramen von realen Orten mit einer Drohne aufgenommen.
In der VR-App steht die Nutzerin oder der Nutzer auf einer Plattform, die sich zunächst einen Meter über dem Boden befindet. Nach einer Gewöhnungszeit wird die Plattform automatisch weiter angehoben. Auf diese Weise steigt die wahrgenommene Position über dem Boden langsam aber stetig an. Die von Höhenangst Betroffen können sich mithilfe dieser Plattform so nach und nach ihrer Angsthöhe stellen und sich durch die virtuelle Exposition daran gewöhnen.
Studie bestätigt Wirksamkeit
Ob dieses Prinzip funktioniert, haben die Forscher in einer klinischen Studie mit 50 Höhenangst-Patienten getestet. Diese absolvierten entweder ein insgesamt vierstündiges Höhentraining in der virtuellen Realität oder wurden der Kontrollgruppe ohne solches Training zugewiesen. Vor und nach der Studienphase bestiegen alle Probanden einen Aussichtsturm und die Forschenden protokollierten wie hoch sie kamen und wie stark die empfundenen Angst auf jeder Etage war.
Das Ergebnis: Die Personen, die mit der VR-App trainiert hatten, zeigte beim abschließenden Test weniger Angst auf dem Turm und war in der Lage, höher zu steigen als zuvor. In der Kontrollgruppe fand dagegen keine positive Veränderung statt. Nach Angaben von Bentz und ihre Kollegen war die wiederholte Nutzung der VR-App ähnlich wirksam wie eine klassische „analoge“ oder virtuelle Expositionstherapie.
„Neu ist jedoch, dass Smartphones die virtuellen Szenarien erzeugen und diese sonst technisch aufwendige Therapieform damit deutlich zugänglicher wird“, erklärt Bentz.
Kostenlose „Easyheights“-App bald verfügbar
Nach Ansicht der Forschenden legt ihre Studie nahe, dass eine solche VR-App durchaus dazu beitragen kann, die Höhenangst bei vielen Betroffenen zumindest zu lindern. Die Umsetzung des Expositionstrainings als einfache Handy-App erleichtert diesen Menschen den Zugang zu dieser Form des Expositionstrainings. Bei Menschen mit einer stark ausgeprägten Höhenangst empfehlen Bentz und ihr Team allerdings, die App nur in Begleitung einer Fachperson zu nutzen.
Die kostenlose VR-App „Easyheights“ soll schon in Kürze auf gängigen App-Store verfügbar sein. (NPJ Digital Medicine¸2021; doi: 10.1038/s41746-021-00387-7)
Quelle: Universität Basel