Nanotechnologie

Hart oder weich auf Knopfdruck

Neues Nanomaterial wechselt Eigenschaft nach Bedarf

Das neue Nanomaterial wechselt durch den Impuls elektrischer Signale seine Eigenschaft © Helmholtz-Zentrum Geesthacht

Forscher haben ein Material entwickelt, das durch elektrische Signale in Sekundenschnelle von einem festen, spröden Stoff zu einem weichen, formbaren wird – und umgekehrt. Diese jetzt in „Science“ vorgestellte Hybridmaterial aus Metall und Flüssigkeit ist ein erster Schritt hin zu „smart materials“ und eröffnet zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten. So könnten solche intelligenten Materialien zum Beispiel Risse im Blech auf Knopfdruck selbstständig verschließen.

Beim Eierkochen kann man frei entscheiden – je nach Kochzeit wird das Ei hart oder es bleibt weich. Einige Entscheidungen sind jedoch unwiderruflich – ein hartes Ei wird nie wieder weich. Weniger Ärger am Frühstückstisch gäbe es, wenn man einfach zwischen den verschiedenen Eigenschaften des Eies hin- und herschalten könnte. Genau wie beim Eierkochen wird in der Herstellung metallischer Konstruktionswerkstoffe das Eigenschaftsprofil normalerweise ein für allemal festgelegt.

Erster Schritt in Richtung „smart materials“

Deshalb müssen Ingenieure bei den mechanischen Eigenschaften eines Materials Kompromisse eingehen: So geht beispielsweise mit einer hohen Festigkeit zwangsläufig auch eine erhöhte Sprödigkeit und damit eine verringerte Schadenstoleranz einher. „An dieser Stelle zeichnet sich nun ein erheblicher Fortschritt ab“, erklärt Jörg Weißmüller, Leiter des Instituts für Werkstoffphysik und Werkstofftechnologie an der TU Hamburg und der Abteilung Hybride Materialsysteme am Helmholtz-Zentrum Geesthacht. Gemeinsam mit Kollegen des Metallforschungsinstituts in Shenyang, China hat er eine potenziell bahnbrechende Innovation entwickelt.

„Wir haben zum ersten Mal ein Material erzeugt, das beim Gebrauch zwischen den mechanischen Eigenschaften fest und spröde sowie weich und formbar hin- und herschalten kann“, so der Werkstoffwissenschaftler. „Noch stecken wir mitten in der Grundlagenforschung, doch unsere Entdeckung wird die Entwicklung so genannter smart materials, also intelligenter Materialien, voranbringen.“

Das Nanomaterial unter dem Elektronenmikroskop © Helmholtz-Zentrum Geesthacht

Hochzeit von Metall und Wasser

Zur Herstellung dieses zukunftweisenden Materials benutzte der Werkstoffwissenschaftler einen vergleichsweise einfachen Vorgang: die Korrosion. Die Metalle, in der Regel Edelmetalle wie Gold oder Platin, werden in eine säurehaltige Lösung gegeben. In Folge des einsetzenden Korrosionsprozesses bilden sich winzigste Gänge und Löcher im Metall. So bildet sich ein nanostrukturiertes Material mit einem Netzwerk von Porenkanälen. In diesen Poren wird eine leitfähige Flüssigkeit eingebracht, zum Beispiel eine Kochsalzlösung oder eine verdünne Säure.

Dadurch entsteht ein echtes Hybridmaterial aus Metall und Flüssigkeit. Erst diese ungewöhnliche „Hochzeit“, wie Weißmüller die Verbindung aus Metall und Wasser nennt, macht den durch ein elektrisches Signal ausgelösten Wechsel der Materialeigenschaften auf Knopfdruck möglich. Da in der Flüssigkeit Ionen gelöst sind, können die Grenzflächen des Metalls elektrisch aufgeladen werden. Anders ausgedrückt: Die mechanischen Eigenschaften des metallischen Partners werden durch Anlegen einer elektrischen Spannung im flüssigen Partner verändert.

Elektronen als Auslöser für Formwandlung

Dahinter steht eine Modifikation, eine Stärkung oder Schwächung der atomaren Bindungen in der Oberfläche des Metalls als Folge des Einbaus zusätzlicher Elektronen. Bei Bedarf lässt sich so die Festigkeit des Materials verdoppeln oder aber ein weniger fester, dafür aber plastisch formbarer Zustand einstellen.

Noch liegen konkrete Anwendungen in der Zukunft. Die Forscher denken jedoch bereits weiter: Prinzipiell kann das Material elektrische Signale selbstständig erzeugen, und so gezielt in Bereichen mit hoher Belastung eine lokale Verfestigung einstellen. Damit ließen sich Schädigungen durch Risse verhindern oder gar ausheilen. Damit sind die Wissenschaftler dem Ziel ‚intelligenter’ Hochleistungsmaterialien ein großes Stück näher gekommen. (Science, 2011; DOI: 10.1126/science.1202190)

(TU Hamburg und Helmholtz-Zentrum Geesthacht, 07.06.2011 – NPO)

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