
Jeff Steinhauer in seinem Labor © Nitzan Zohar/ Technion
Schall statt Licht und Materie
Einer dieser Wissenschaftler ist Jeff Steinhauer vom Technion in Haifa. Ihm könnte es nun erstmals gelungen sein, einem solchen Analog zu einem Schwarzen Loch zumindest sehr nahe zu kommen. Sein Experiment basiert auf der Theorie, dass von ihrem Medium mitgerissene Schallwellen ähnlich unausweichlich gefangen sind wie ein Objekt jenseits des Ereignishorizonts im Schwarzen Loch.
Im Labor lässt sich daher eine Art Schwarzes Loch für Schall konstruieren. Dafür kühlte Steinhauer eine Wolke Rubidium-Atome zunächst bis knapp über den absoluten Nullpunkt herunter. Die Atome werden dadurch zu einem Bose-Einstein-Kondensat. In diesem Quantenzustand lässt sich ihr Verhalten nur noch über Wellen beschreiben, sie bilden keine unabhängigen Einzelpartikel mehr.
Ereignishorizont aus ultrakalten Atomen
Unter diesen Extrem-Bedingungen bewegt sich auch Schall nur noch langsam, nur mit rund einem halben Millimeter pro Sekunde. Und das macht es möglich, ein spezielles Phänomen des Bose-Einstein-Kondensats zu untersuchen: Ähnlich wie im Vakuum des Alls virtuelle Teilchen entstehen, bilden sich im Atom-Kondensat spontane Dichtepulse, sogenannte Phononen.
Und hier kommt die Analogie zum Schwarzen Loch ins Spiel: Durch einen Laser erzeugte Steinhauer im Kondensat eine Zone, in der sich die Atome mit einem Millimeter pro Sekunde bewegten – mit für diese Bedingungen Überschallgeschwindigkeit. Entstanden nun spontan Phononen in diesem Teil des Kondensats, wurden sie mitgerissen wie die virtuellen Teilchen jenseits des Ereignishorizonts eines Schwarzen Lochs.

In einem Bose-Einstein-Kondensat entstehen spontante Dichtepunkte, wie hier in diesen drei zeitlich nacheinander gemachten Abbildungen zu sehen. Diese auch als Schallwellen beschreibbaren Phononen liefern nun ein Analog zur Hawking-Strahlung. © NIST/JILA/ CU-Boulder
Beweis für Hawking-Strahlung?
Und nun beobachtete Steinhauer das Entscheidende: „Unsere Messungen zeigen Korrelationen zwischen Punkten beiderseits des Ereignishorizonts“, erklärt der Forscher. Offenbar bildeten sich im Konsensat Paare von miteinander verschränkten Phononen, von denen dann eines mitgerissen wurde, das andere aber entkommen konnte – wie bei virtuellen Teilchen im Schwarzen Loch.
Das Schall-Analaog zum Schwarzen Loch ist daher nicht still, sondern würde ein leises Rauschen erzeugen – wenn die entweichenden Phononen hörbar wären. Nach Ansicht von Steinhauer ist dies daher ein echtes Äquivalent zur Hawking-Strahlung bei einem Schwarzen Loch: „Die Messungen bestätigen die Quantennatur der Hawking-Strahlung“, so der Physiker.
„Bisher überzeugendster Beleg“
Nach Ansicht der „Nature“-Editoren liefert Steinhauers Experiment den bisher überzeugendsten Beleg für ein Analog der Hawking-Strahlung. „Sein Versuch könnte einer experimentellen Beobachtung der Hawking-Strahlung bisher am nächsten kommen“, heißt es im Magazin. „Das ist auf jeden Fall ein wegbereitendes Paper“, kommentiert auch der Physiker Ulf Leonhardt vom Weizmann Institute of Science in Rehovot.
Noch allerdings ist der Beweis der Hawking-Strahlung unvollständig. Denn Steinhauer konnte die Verknüpfung der Phononen-Paare in seinem Kondensat bisher nur für energiereiche Schallpulse beobachten. Zudem ist nach wie vor offen, ob sich die Aussagen aus solchen Analog-Versuchen auf echte kosmische Schwarze Löcher übertragen lassen.
Dennoch: „Wenn Steinhauers Ergebnisse bestätigt werden, wäre dies ein Triumpf für Hawking – ähnlich wie die Entdeckung des Higgs-Bosons ein Triumpf für Peter Higgs und seine Kollegen war“, kommentiert Leonard Susskind von der Stanford University in Nature News. (Nature Physics, 2016; doi: 10.1038/nphys3863)
(Nature, 17.08.2016 – NPO)
17. August 2016