Posthum veröffentlicht: Der Physiker Stephen Hawking hat kurz vor seinem Tod ein neues Modell zu einem der großen Rätsel der Kosmologie entwickelt – der kosmischen Inflation. Demnach verlief diese exponentielle Ausdehnung des Universums weitaus gleichmäßiger als nach gängiger Theorie angenommen. Das mache es unwahrscheinlich, dass dabei Unmengen von verschiedenen Paralleluniversen entstanden, schreibt Hawking.
Nach gängiger Theorie dehnte sich das junge Universum kurz nach dem Urknall exponentiell aus – es erreichte in wenigen Sekundenbruchteilen fast seine heutige Größe. Wie jedoch diese kosmische Inflation ablief und was sie antrieb, ist bisher unklar. So ist umstritten, wie gleichmäßig diese explosive Expansion vonstattenging – und ob möglicherweise sogar parallele Universen erschaffen haben könnte.
Fraktale Blasen im inflationären Nichts
„Die gängige Theorie der sogenannten ewigen Inflation sagt voraus, dass unser Universum wie ein unendliches Fraktal ist: Es besteht aus einem Mosaik verschiedener Taschen-Universen, die durch einen sich noch immer exponentiell ausdehnenden ‚Ozean‘ getrennt sind“, erklärte Stephen Hawking das Phänomen Ende 2017 auf einer Tagung. „Weil sich die lokalen Gesetze der Physik und Chemie von einem Taschen-Universum zum andren unterschieden, bilden sie gemeinsam eine Art Multiversum.“
Diesem Szenario nach wäre unser bekanntes Universum demnach nur eine von vielen kosmischen Blasen, in denen die Inflation zufällig schon früh endete. In anderen, für uns nicht erfassbaren Bereichen hält die Inflation dagegen noch immer an. Diese Vorstellung wird daher auch als Theorie der ewigen Inflation bezeichnet.
Szenario verletzt Physik-Gesetze
Doch Hawking und sein Kollege Thomas Hertog von der Universität Leuven zweifeln dieses Szenario an. In einem noch vor dem Tod von Hawking eingereichten und erst jetzt veröffentlichen Fachartikel legen sie dar, warum die Existenz vieler verschiedener Universumsblasen eher unwahrscheinlich ist. Denn ihren Berechnungen nach widerspricht diese Theorie den Gesetzmäßigkeiten, die am Übergang von den Quantenprozessen der Inflation zur klassischen Physik im „normalen Kosmos gelten müssten.
„Das Problem mit dem üblichen Szenario ist, dass es eine Art Hintergrund-Universum annimmt, das sich nach den Regeln von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie entwickelt. Die Quanteneffekte wären demnach nur Fluktuationen davon“, erklärt Hertog. „Aber die Dynamik der ewigen Inflation löscht die Trennung zwischen klassischer Physik und Quantenphysik. Als Folge bricht Einsteins in der ewigen Inflation Theorie zusammen.“
Fluktuationen geringer als gedacht
Was stattdessen bei der Inflation passierte, haben Hawking und Hertog mithilfe ihrer Theorie eines holografischen Universums berechnet. Nach dieser lässt sich die dreidimensionale Physik unseres Kosmos mathematisch als eine Projektion winziger zweidimensionaler Grundbausteine beschreiben. „Wir nutzen nun diese holografischen Gleichungen, um die ewige Inflation in einer Art Spielzeug-Universum zu studieren“, so Hawking und Hertog.
Ihr Ergebnis: Entgegen bisherigen Szenarien führt die Inflation offenbar zu weit weniger starken Fluktuationen in großskaligen Maßstäben. „Wir stellen stattdessen fest, dass die Amplituden (…) exponentiell klein sind“, berichten die Physiker. „Daraus schließen wir, dass die ewige Inflation Universen erzeugt, die in den größten Skalen relativ gleichmäßig sind.“
Multiversum wird kleiner
Nach Ansicht von Hawking und Hertog ist das gängige Bild eines von Blasen durchzogenen Multiversums daher eher unwahrscheinlich. „Unsere Ergebnisse wecken Zweifel an der weitverbreiteten Idee, dass die ewige Inflation ein hochgradig unregelmäßiges Universum mit einer Mosaikstruktur aus blasenartigen Stellen getrennt durch Inflationäre Bereiche erschafft“, so die Forscher. „Es ist daher keine fraktale Struktur.“
Sollte sich dies bestätigen, würde dies auch die Wahrscheinlichkeit für Paralleluniversen drastisch verringern. „Wir sind zwar noch nicht bis auf ein einziges Universum herunter“, schreibt Hawking. „Aber unsere Ergebnisse sprechen für eine signifikante Reduktion des Multiversums – die Spanne der möglichen Paralleluniversen wird sehr viel geringer.“
Wie kann man das beweisen?
Bisher allerdings lassen sich weder die kosmische Inflation noch ihr genauer Ablauf beweisen. Ein vermeintliches Signal dieser exponentiellen Ausdehnung in der kosmischen Hintergrundstrahlung erwies sich schon wenig später als Irrtum – statt Inflationsfluktuationen hatten die Astronomen das Signal von kosmischem Staub gemessen.
Wissenschaftler hoffen nun, dass künftige Experimente wie das Weltraumobservatorium LISA vielleicht eines Tages die Relikte der Gravitationswellen detektieren können, die bei der kosmischen Inflation freigesetzt wurden. (Journal of High Energy Physics, 2018; doi: 10.1007/JHEP04(2018)147)
(University of Cambridge, 03.05.2018 – NPO)