Junge Sterne sind von einer Scheibe aus heißen Gas umgeben. Neue Beobachtungen mit dem VLT-Interferometer der Europäischen Südsternwarte in Chile zeigen den Einfall von Gas, aber auch Ausfluss-Prozesse in der unmittelbaren Umgebung von sechs untersuchten Himmelskörpern. Der Ursprung dieser Strahlung ist umstritten, denn in früheren Untersuchungen konnte die räumliche Verteilung des Gases in der Nähe des Sterns nicht aufgelöst werden, so die Forscher in der Fachzeitschrift „Astronomy & Astrophysics“.
Das internationale Team von Astronomen um Stefan Kraus vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie und Eric Tatulli vom Observatoire de Grenoble in Frankreich hat die herausragende Fähigkeit des Nahinfrarot-Interferometers am VLT, hohe räumliche Auflösung mit spektroskopischer Auflösung zu verbinden, für seine Forschungsarbeit genutzt. Die Wissenschaftler untersuchten die Eigenschaften des Gases in unmittelbarer Umgebung eines speziellen Typs von jungen Sternen, genannt Herbig Ae/Be-Sterne, untersucht. Das sind junge Sterne mit einer Masse von zwei bis zehn Sonnenmassen, die nach wie vor in einem Kontraktionsprozess begriffen sind und das Hauptstadium der Sternentwicklung, das Wasserstoffbrennen, noch nicht erreicht haben. Sie zeigen häufig starke Linienemission in ihren Spektren.
Hauptkomponente Gas
In den vergangenen Jahren sind junge Sterne bereits ausführlich mit Nahinfrarot-Interferometern untersucht worden, wobei die Astronomen die direkte Umgebung solcher Sterne mit hoher räumlicher Auflösung erforschen konnten. „Allerdings sind diese interferometrischen Methoden bis jetzt überwiegend dazu benutzt worden, die Verteilung von Staub in der Umgebung dieser Sterne zu erforschen“, sagt Tatulli. „Der Staub macht jedoch nur ein Prozent der Gesamtmasse aus, die in den Scheiben um diese Sterne steckt. Die Hauptkomponente ist das Gas, und das Gas dürfte auch die Vorgänge bei der Entstehung von Planetensystemen entscheidend beeinflussen.“
Zum Nachweis des Gases sind hochauflösende Beobachtungen von Spektrallinien in Emission erforderlich. Dabei sind verschiedene Prozesse vorgeschlagen worden, die zur Entstehung dieser Strahlung führen. Zum Beispiel könnten Emissionslinien durch eine innere Gasscheibe hervorgerufen werden, aber auch durch magnetosphärsche Akkretionsprozesse oder durch einen Sternwind, der von der Oberfläche des Sterns abgeblasen wird. Die meisten dieser Prozesse finden in geringer Entfernung vom Stern selbst statt (in einem Abstand von weniger als einer „Astronomischen Einheit“, entsprechend der Entfernung Erde-Sonne). Sie sind daher mit direkten Bildverfahren nicht auflösbar.
Gas in einmaliger Detailschärfe untersucht
Mit dem VLTI/AMBER-Instrument konnten die Astronomen nun das Gas in der inneren Umgebung von sechs jungen Sternen mit einer bislang einmaligen Detailschärfe untersuchen. Sie entspricht etwa der Größe des Punktes am Ende dieses Satzes betrachtet aus 1.000 Kilometern Entfernung.
„Da die meisten früheren Studien nicht über das Auflösungsvermögen verfügten, um die räumliche Verteilung des heißen Gases direkt zu vermessen, gab es bis jetzt nur indirekte Hinweise über den Ursprung der Linienstrahlung in jungen Sternen“, erklärt Kraus. „Deshalb hatten die Forscher auch sehr unterschiedliche Ansichten darüber, welche physikalischen Vorgänge bei der Entstehung der Linienstrahlung beteiligt sind. Durch die einmalige Kombination von Spektroskopie und Interferometrie ist es mit VLTI nun möglich, zwischen den verschiedenen Mechanismen zu unterscheiden.“
Sternenwind oder Materiestrom als Ursache?
Durch die Untersuchung der Strahlung in einer Reihe von Emissionslinien konnte das Forschungsteam Geometrie und Position der Gasregionen vermessen. Für zwei der sechs untersuchten Sterne lässt die beobachtete Strahlung auf Masseneinfall schließen, der entweder von einer staubfreien heißen Gasscheibe herrührt, oder aber von einer sehr begrenzten Region, aus der die Materie von der Scheibe auf die Oberfläche des Sterns transportiert wird. Bei den anderen vier Sternen deutet die beobachtete Strahlung auf Massenausstoß hin, wobei Material von einer Gasscheibe um den Stern herausgestoßen wird.
„Beobachtungen mit der VLTI Spektro-Interferometrie-Technik werden es ermöglichen, sowohl die Geometrie als auch die Bewegung des Gases in diesen jungen Sternen sehr genau zu erforschen“, so Kraus. „Sie werden zeigen, ob die beobachtete Strahlung von einem Sternwind ausgeht, oder von einem Materiestrom aus der Scheibe um den Stern.“
(Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR), 13.10.2008 – DLO)