Klumpiger Kern: In Atomkernen liegen die Protonen und Neutronen nicht ungeordnet vor, sondern bilden Strukturen. Ein Experiment bestätigt nun, dass sich dabei auch Heliumkerne aus zwei Protonen und zwei Neutronen bilden – und dass sie bei schweren, neutronenreichen Atomkernen direkt unter der Kernoberfläche liegen. Das könnte bestimmte Zerfallsformen erklären, aber auch das Innenleben von Neutronensternen, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.
Ähnlich wie die Elektronen der Atomhülle haben auch die Protonen und Neutronen des Atomkerns eine Struktur: Sie ordnen sich in quantenmechanisch günstigen „Schalen“ an, die je nach Element sukzessive aufgefüllt werden. Eine volle Schale verleiht dem Kern eine besondere Stabilität. Zusätzlich aber gibt es im Atomkern „Raser-Protonen“ sowie kurzlebige Paare aus Protonen und Neutronen oder exotische Trios aus Protonen und Mesonen im Atomkern.
Klumpen im Kern
Eine weitere Unterstruktur im Atomkern sind Heliumkerne – „Klumpen“ aus zwei Protonen und zwei Neutronen. Sie entstehen unter Einfluss der starken Kernkraft im Zentrum leichterer Atomkerne wie Kohlenstoff oder Sauerstoff. Der Theorie nach sollen sie aber bei neutronenreichen schweren Atomkernen auch direkt unter der Kernoberfläche vorkommen. Dies könnte den Ursprung der aus Heliumkernen bestehenden Alpha-Strahlung beim radioaktiven Zerfall erklären.
Doch bisher waren solche Heliumkerne unter der „Haut“ schwerer Atomkerne nur theoretisch vorhergesagt. Experimentell belegt war ihre Existenz bei solchen Atomkernen nicht – bis jetzt. Für ihr Experiment haben Physiker um Junki Tanaka von der TU Darmstadt Zinn-Isotope mit energiereichen Protonen beschossen. Dabei werden die Protonen gestreut und schlagen – falls vorhanden – auch Heliumkerne aus den Atomkernen heraus.
Heliumkerne dicht unter der Kern-Oberfläche
Tatsächlich registrierten die Forscher aus den Atomkernen herausgeschlagene Heliumkerne. Die Merkmale dieser Alphateilchen und der gestreuten Protonen verrieten ihnen zudem, dass diese Heliumkerne nicht erst beim Beschuss entstanden sein können. „Unsere Ergebnisse sprichen klar dafür, dass es schon eine vorausgehende Bildung dieser Partikel in den Zinn-Isotopen gab“, schreiben Tanaka und sein Team.
Die beobachtete Impulsverteilung der Alphateilchen bestätigte zudem, dass diese Heliumkerne nicht im dichten Kerninneren, sondern in der weniger dichten Oberflächenzone der Atomkerne entstanden sein müssen. Ihre Bildung ist dabei umso wahrscheinlicher, je neutronenreicher ein Isotop ist. „Unsere Resultate liefern damit den direkten Beweis für die Bildung solcher Cluster in dünner, neutronenreicher Materie wie der Oberfläche solcher neutronenreicher Atomkerne“, konstatieren die Forscher.
Hinweise auf Materie in Neutronensternen
Damit ist nicht nur die Theorie zur Bildung solcher Heliumkerne auch an der Kernoberfläche bestimmter Atome bestätigt. Die neuen Erkenntnisse erlauben auch Rückschlüsse auf die Zusammensetzung und das Verhalten extremer Materiezustände wie beispielsweise in Neutronensternen. Denn auch in ihnen ist der Druck so hoch, dass sich Elemente in Neutronen und Protonen auflösen. Zudem herrscht in diesen dichten Sternenresten ein starker Neutronenüberschuss.
Welche Rolle diese Helium-Cluster für den radioaktiven Zerfall schwerer Atome spielen, wollen die Forscher nun in weiteren Experimenten klären. (Science, 20321; doi: 10.1126/science.abe4688)
Quelle: Technische Universität Darmstadt