Bestätigung für das Higgs: Physiker haben erstmals auch den zweiten, nach dem Standardmodell postulierten Zerfallsweg des Higgs-Bosons nachgewiesen. In Daten des CMS-Experiments am Large Hadron Collider (LHC) entdeckten sie einen Überschuss an Bottom-Quarks und Tau-Leptonen. Dies belegt, dass das Higgs nicht nur in andere Kraftteilchen zerfallen kann, sondern auch in Materieteilchen, so die Forscher im Fachmagazin „Nature Physics“.
Das Higgs-Feld und das mit ihm verknüpfte Higgs-Boson bilden einen fundamentalen Baustein unseres physikalischen Weltbilds. Denn sie erst verleihen der Materie ihre Masse. Nachweisen lässt das Higgs-Teilchen jedoch nur indirekt, durch seine Zerfallsprodukte. In den Detektoren ATLAS und CMS am Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC) des Forschungszentrums CERN bei Genf gelang dieser Nachweis im Jahr 2012 mit Hilfe von Zerfällen des Higgs in bestimmte Bosonenpaare. Bosonen sind die Teilchen, die als Vermittler von Kräften wirken, beispielsweise das Photon für die elektromagnetische Wechselwirkung.
Suche nach überschüssigen Bottom-Quarks
Doch nach dem Standardmodell der Teilchenphysik müsste das Higgs-Feld auch mit Fermionen interagieren – den Teilchen, die unter anderem als Quarks und Elektronen die Grundbausteine der Materie bilden. Diese Wechselwirkung müsste als Überschuss bei bestimmten Zerfällen, unter anderem des Higgs-Bosons zu Bottom-Quarks und in Tau-Leptonen nachweisbar sein.
Genau diesen Überschuss haben nun Physiker in Auswertungen von Kollisionsdaten des CMS-Detektors am LHC gefunden. Die Forscher hatten dafür Daten analysiert, die 2011 bei Protonennkollisionen von sieben Teraelektronenvolt (TeV) und 2012 bei acht TeV gesammelt wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass es im Masse-Bereich des Higgs-Teilchens von 125 Gigaelektronenvolt (GeV) tatsächlich zu einer Häufung von Zerfällen des Higgs-Teilchens in Bottom-Quarks und in Tau-Leptonen kommt.
Signifikanz von 3,8 Sigma
Wie die Physiker der CMS-Collaboration berichten, liegt der Überschuss bei einer Signifikanz von 3,8 Sigma. Das heisst, die Wahrscheinlichkeit, dass die Häufung allein auf Grund zufälliger Hintergrundprozesse zustande kommt, liegt bei etwa eins zu 14.000. In der Teilchenphysik geht man ab einer Signifikanz von 5 Sigma von einer bestätigten Entdeckung aus.
„Dies ist ein starker Hinweis darauf, dass sich das 2012 entdeckte Teilchen tatsächlich wie das in der Theorie postulierte Higgs-Teilchen verhält“, erklärt Vincenzo Chiochia von der Universität Zürich, dessen Gruppe an der Auswertung der Daten mitgearbeitet hat. Damit sei man einen wichtigen Schritt weiter gekommen. „Wir wissen nun, dass das Higgs-Teilchen sowohl in Bosonen, wie auch in Fermionen zerfallen kann. Damit können wir gewisse Theorien ausschließen, die davon ausgingen, dass das Higgs-Teilchen nur in bestimmte Arten von Teilchen zerfällt“, so der Physiker. (Nature Physics, 2014; doi: 10.1038/nphys3005 )
(Universität Zürich, 23.06.2014 – NPO)