Hirnscan statt Fingerabdruck: Die Identität einer Person lässt sich erstaunlich genau anhand ihrer Gehirnwellen offenlegen. Das belegt nun ein Experiment von US-Forschern. Demnach sind unsere Reaktionen auf Bilder so charakteristisch, dass eine Software Personen anhand der dabei entstehenden Hirnmuster identifizieren kann – und zwar mit einer Trefferquote von 100 Prozent. Das Verfahren hat den Forschern zufolge vor allem Potenzial für Hochsicherheitsbereiche.
Die Hirnaktivität eines Menschen verrät so einiges über ihn. Zwar können Wissenschaftler noch keine komplexen Gedanken lesen. Doch sie kommen dieser Fähigkeit immer näher. Bereits 2011 war es Forschern gelungen, anhand der Gehirnwellen geträumte Bewegungen zu erkennen. Sie konnten unterscheiden, ob der Proband gerade davon träumte, seine linke oder seine rechte Faust zu ballen. Auch gehörte und gesprochene Wörter haben Wissenschaftler schon anhand von Hirnströmen rekonstruiert.
Ein Team um Maria Ruiz Blondet von der Binghamton University geht nun noch einen Schritt weiter: Die Wissenschaftler haben Gehirnwellen nicht genutzt, um einzelne Vorgänge wie Sprechen oder Träumen abzulesen – sondern um die Identität einer Person offenzulegen.
Charakteristische Reaktionen
Ruiz Blondet und ihre Kollegen untersuchten für ihre Studie die individuellen Reaktionen von Menschen auf bestimmte optische Reize. Dafür zeigten sie 50 Probanden jeweils 500 Bilder mit unterschiedlichen Motiven – zum Beispiel ein Stück Pizza, ein Schiff, die Schauspielerin Anne Hathaway oder das Wort „Rätsel“. Jedes Bild erschien dabei für lediglich eine halbe Sekunde auf einem Monitor.
Währenddessen zeichneten die Forscher die Hirnströme der Teilnehmer mithilfe der Elektroenzephalografie (EEG) auf. Die Idee dahinter: Jede Person reagiert auf die Reihe von Bildern anders. Es müsste also ein charakteristisches Muster entstehen, anhand dessen die Probanden eindeutig erkannt werden können.
Software erkennt Probanden zu 100 Prozent
Tatsächlich zeigte sich: Die Probanden reagierten unterschiedlich genug auf die Reize, um einer speziell entwickelten Computersoftware zu einer erstaunlichen Trefferquote zu verhelfen. Hatte es sie einmal gelernt, erkannte das System die individuellen Gehirnmuster zu 100 Prozent – es konnte jede Person anhand ihrer Gehirnwellen eindeutig identifizieren.
Dieses Ergebnis ist nach Ansicht der Forscher von großer Bedeutung. Denn bereits im vergangenen Jahr hatten sie gezeigt, dass sie anhand der Gehirnreaktion auf gesprochene Wörter eine Person aus einer Gruppe von 32 Menschen erkennen können – allerdings nur mit einer Genauigkeit von 97 Prozent. „Um solche Verfahren einmal in der Praxis anwenden zu können, will man aber natürlich zu 100 Prozent genau sein“, erläutern die Wissenschaftler.
Ersatz für den Fingerabdruck?
Ihre neue Methode funktioniert damit ähnlich gut wie ein Fingerabdruck, weshalb Ruiz Bondet und ihre Kollegen vom „Brainprint“, dem Gehirnabdruck sprechen. „Je mehr Bilder man verwendet, auf die jede Person ganz unterschiedlich anspricht, umso genauer wird das Verfahren“, erklären sie. Dann könnten irgendwann tatsächlich die Gehirnwellen ausreichen, um die Identität einer beliebigen Person zu verraten. Sie wären damit zum Beispiel eine Alternative zu biometrischen Identifizierungsverfahren via Fingerscans.
Zur Anwendung könnte das „Brainprint“-Verfahren den Forschern zufolge insbesondere in Hochsicherheitsbereichen wie dem Pentagon kommen. Der Vorteil: Im Vergleich zur Identifizierung per Finger- oder Augenscan schützt die Gehirnwellenmethode besser vor Betrügern. „Fingerabdrücke können geklaut und missbraucht werden“, schreiben die Wissenschaftler. Beim Gehirnabdruck sei dies schwieriger.
Zudem kann der Betroffene im unwahrscheinlichen Fall eines „Brainprint“-Klaus seinen eigenen Abdruck gezielt manipulieren, indem er seine Reaktionen ändert – und damit einen neuen Gehirnabdruck erstellen. Ein Fingerabdruck hingegen ließe sich nicht einfach austauschen, so die Forscher. (The IEEE Transactions on Information Forensics and Security, 2016; doi: 10.1109/ISBA.2015.7126357)
(Binghamton University, 19.04.2016 – DAL)