Chemie

Historische Schießpulver-Rezepte auf dem Prüfstand

Wie mittelalterliche Büchsenmeister ihren Sprengstoff optimierten

Kanone
Im Mittelalter veränderten Schießpulver und Kanonen die Kriegsführung. Wie das damalige Schießpulver zusammengesetzt war, haben Forscher jetzt untersucht. © Farifo / Getty images

Explosive Entwicklung: Die Erfindung des Schießpulvers hat die Kriegsführung im Mittelalter revolutioniert. US-Wissenschaftler haben nun Schwarzpulver nach historischen Rezepten hergestellt und getestet. Sie enthüllen, welche Mischungen am heftigsten explodierten, aber auch, welchen Effekt exotische Zutaten wie Essig, Brandy oder Lack auf das Verhalten der Sprengladungen hatte. Die Entwicklung der perfekten Mixtur war jedoch ein langwieriger Prozess.

Um das Jahr 900 wurde in China das Schwarzpulver erfunden – gegen Ende des 13. Jahrhunderts verbreitete es sich auch in Europa. Die Mischung aus Kaliumnitrat, besser bekannt als Salpeter, Schwefel und Holzkohle hat die mittelalterliche Kriegstechnik komplett verändert. Historische Dokumente belegen, dass an den Anteilen der drei Zutaten immer wieder geschraubt wurde, um die explosive Mischung zu perfektionieren.

Schießpulver-Test
Schießpulver-Test mit einem Nachbau einer mittelalterlichen Kanone. © ACS Omega 2021, DOI: 10.1021/acsomega.1c03380

Test von Mittelalter-Rezepten mit modernen Methoden

Forscher um Tessy Ritchie von der US Military Academy in West Point haben nun über 20 Schwarzpulver-Rezepte aus dem Mittelalter nachgemischt und ausprobiert. Die in historischen Schriften festgehaltenen Zutatenlisten werden auf die Jahre zwischen 1336 und 1449 datiert und zeichnen die Veränderungen des Mischverhältnisses auf. Teilweise kamen neben den drei gängigen Bestandteilen auch Zutaten wie Kampfer oder Brandy zum Einsatz.

Um die Rezeptur zu verbessern, gab es im Mittelalter nur eine Möglichkeit: Neue Zutaten einmischen und schauen, wie stark es explodiert. Die US-Forscher nutzten für ihre Experimente dagegen präzisere und verlässlichere Methoden. Zum einen kam ein Differenz-Kalorimeter zum Einsatz, in dem das Schwarzpulver langsam erhitzt und dann wieder abgekühlt wurde. So konnten die Wissenschaftler das Verhalten der Substanz vor der Explosion untersuchen.

Wie stark die letztendliche Explosion war, bestimmte das Team mit einem Bombenkalorimeter, einem speziell für die Messung der Explosionsenergie konstruierten Gerät. Manche Rezepte wurden anschließend noch an einer nachgebildeten Kanone aus dem 15. Jahrhundert am Schießstand getestet.

Die Mischung macht‘s

Modernes Schwarzpulver besitzt das Mischverhältnis Salpeter zu Schwefel zu Holzkohle 75:10:15. Die höchste Explosionskraft der getesteten Rezepte hatte dagegen eine Mixtur aus dem Jahr 1338 mit einem Mischverhältnis von 40:20:40. Auch andere Variationen, die einen hohen Holzkohlegehalt hatten, explodierten unter sehr hoher Energiefreisetzung.

Das erkannten offenbar auch die mittelalterlichen Büchsenmeister, die im Laufe der Jahre mehr Salpeter und weniger Holzkohle beimischten, um das Schwarzpulver stabiler und sicherer zu machen. Der Salpeter-Anteil wurde später aber wieder reduziert, da das Kaliumnitrat sehr teuer war

Essig und Weinbrand als Zutat

Die historischen Rezepte verraten auch, dass die Büchsenmeister des Mittelalters teilweise ungewöhnliche Zutaten ausprobierten. Als trockene Zusätze kamen Kampfer und Ammoniumchlorid zum Einsatz. Das Schießpulver wurde aber auch mit Flüssigkeiten vermischt und anschließend wieder getrocknet. In den mittelalterlichen Rezepten wurde hierfür unter anderem Essig, Lack und sogar Brandy verwendet.

Kampfer und Ammoniumchlorid sollten die Sprengkraft des Pulvers erhöhen, aber auch die als Konservierungsmittel dienen: „Es ist gut in Pulver, das für längere Zeit gelagert werden soll,“ heißt es in einem Rezept aus dem 15. Jahrhundert. Zumindest die erhöhte Explosionsenergie von Schießpulver mit Ammoniumchlorid konnte von den Messungen der US-Forscher bestätigt werden.

Das Team um Tessy Ritchie stellte zudem fest: Wenn das Schießpulver zwischenzeitlich angefeuchtet wurde, konnten sich Salpeter und Schwefel deutlich besser mit den fasrigen Strukturen der Holzkohle vermischen. Dadurch blieb die Mixtur bei der Explosion kompakter. Außerdem wurde sie dadurch weniger anfällig für Feuchtigkeit von außen und somit besser lagerbar.

Gute Ideen, wenig Effekt

Als die Wissenschaftler das Schießpulver mit Wasser vermischten und wieder trockneten, konnten sie zusätzlich ermitteln, dass sich dadurch die Explosionsenergie verringert. Bei Essig, Brandy und Lack stellten sie dagegen keinen eindeutigen Einfluss auf die Stärke der Explosion fest. Als die Mixturen langsam erhitzt wurden zeigte nur der Lack eine Wirkung. Durch ihn wurde die Reaktion herausgezögert. (ACS Omega, 2021; doi: 10.1021/acsomega.1c03380)

Quelle: American Chemical Society

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