Physiker haben im Hochdruck-Experiment erstmals einen so genannten Tripelpunkt des Kohlenstoffs erzeugt. In diesem Zustand kommen fester Diamant, flüssiger Kohlenstoff und eine bisher nur theoretisch bekannte Form namens bc8 gemeinsam vor. Wie sie in „Science“ berichten, ermöglicht dies Rückschlüsse über so unterschiedliche Gebiete wie die Kernfusion und das Innere des Planeten Neptun.
Was hat ein Projektil von der Größe eines Kaugummistreifens mit Diamanten auf dem Neptun oder der Kernfusion zu tun? Auf den ersten Blick nicht viel. Das Projektil war Teil eines Experiments, mit dem es Physikern des Sandia National Laboratory in New Mexico erstmals gelang, das Verhalten von Kohlenstoff unter enormem Druck zehnfach genauer als bisher zu analysieren. Dabei gelangen ihnen gleich mehrere Durchbrüche.
Riesenmagnet schleudert „Flugplatten“ auf Diamanten
Das Team um Marcus Knudson, Mike Desjarlais und Daniel Dolan nutzte zunächst Simulationen, um einen Bereich von Geschwindigkeiten einzugrenzen, bei dem ihre Projektile, die so genannten Flugplatten, am Auftreffpunkt ausreichend Druck erzeugen. Ziel war es, Kohlenstoff in Form von Diamantplatten so stark zu komprimieren, dass er flüssig wird. In bisherigen Experimenten wurde dafür meist ein Laser genutzt, der jedoch nur eine sehr ungenaue Bestimmung des Schmelzzeitpunktes erlaubte.
Die im Versuch eingesetzten Flugplatten waren 4×1,7 Zentimeter groß und nur wenige hundert Mikrometer dick. Beschleunigt wurden sie mithilfe der extrem starken Magnetfelder der „Z Machine“ des Sandia Lab. Bei jedem „Schuss“ traf die Flugplatte auf drei Diamantziele von jeweils 1,9 Karat. „Diese Experimente sind viel genauer als die vorherigen, mit Laserstrahlen durchgeführten”, erklärt Knudson. „Unsere Flugplatten treffen mit präzise gemessenen Geschwindigkeiten auf mehrere große Diamantproben, so dass wir sehr genaue Messungen der Schockwellen-Geschwindigkeit durchführen können.“
Genauer Schmelzdruck – und überraschender Tripelpunkt
Nach 15 Durchgängen hatten die Forscher was sie brauchten: Sie konnten den exakten Druck bestimmen, bei dem der Diamant seinen Zustand von fest zu flüssig verändert – und dies zehnfach genauer als jemals zuvor. Die ermittelten Werte liegen zudem mitten in den von der Theorie gesetzten Grenzen, so dass damit auch die Theorie erstmals experimentell bestätigt werden konnte.
Doch es gab sogar noch einen Bonus: Die Physiker entdeckten den Tripelpunkt, einen Punkt, an dem fester Diamant, flüssiger Kohlenstoff und ein bisher nur theoretisch vorhergesagter fester Kohlenstoffzustand, das so genannte bc8, gemeinsam vorlagen.
Flüssiger Diamant auf dem Neptun?
Was aber haben Schmelz- und Tripelpunkt nun mit Neptun und der Kernfusion zu tun? Die Atmosphäre des Neptun besteht zum größten Teil aus Methan. Diese Kohlenstoffverbindung zersetzt sich unter hohem Druck, wie er beispielsweise unter der Oberfläche herrscht. Eine der offenen Fragen ist nun, in welcher Form der Kohlenstoff im Neptuninneren vorliegt. Ab wann entsteht Diamant und ist der Druck in der Tiefe vielleicht sogar stark genug, um diesen wieder zu verflüssigen?
Wäre dies der Fall, hätte dies Rückwirkungen auf das Magnetfeld des Planeten: „Flüssiger Kohlenstoff ist unter solchen Drücken elektrisch leitend, dadurch beeinflusst dies auch die Entstehung von magnetischen Feldern“, erklärt Desjarlais. „Daher ist die genaue Kenntnis der Phasen des Kohlenstoffs im Planeteninneren entscheidend für die Entwicklung von Computermodellen der Eigenschaften des Himmelskörpers.“
Fusion in der Diamanthülle
Im Falle der Kernfusion spielt der Kohlenstoff in Form von Diamant die Rolle einer Druckkammer. Am Lawrence Livermoore National Laboratory in Kalifornien sind in ihr die zu fusionierenden Deuterium- und Tritiumkerne eingeschlossen. Ziel der Physiker ist es, mithilfe von Hitze und Druck die Atomkerne im Inneren ihrer Kapsel zu verschmelzen. Damit diese Form der abgeschlossenen Fusion funktioniert, darf sich die Kapsel nicht unregelmäßig verformen oder gar schmelzen. Auch ein Übergang in den Tripelzustand wäre sehr ungünstig, weil undicht. Die neuen Ergebnisse der Sandia-Forscher tragen nun dazu bei, diese kritischen Drücke vermeiden zu können.
(Sandia Laboratory, 19.02.2009 – NPO)