Klein, aber oho: Ein neuartiger Hybridbeschleuniger kann Teilchen innerhalb weniger Zentimeter bis fast auf Lichtgeschwindigkeit bringen. Möglich wird dies durch eine Kombination eines lasergetriebenen mit einem teilchengetriebenen Plasmabeschleuniger. Beide zusammen erreichen auf wenigen Millimetern eine Beschleunigungsspannung, die um das Tausendfache höher liegt als bei herkömmlichen Anlagen – und machen die Technologie deutlich erschwinglicher.
Klassische Teilchenbeschleuniger wie der Large Hadron Collider (LHC) am CERN bringen Teilchen mithilfe von elektromagnetischen Feldern auf nahezu Lichtgeschwindigkeit. Dafür allerdings benötigen sie enorme Mengen an Energie und kilometerlange Strecken.
Wenige Zentimeter statt mehrerer Kilometer
Doch es geht auch anders: Neuartige, von Lasern, Terahertzstrahlen oder Protonen angetriebene Plasmabeschleuniger bringen Teilchen in nur wenigen Zentimetern auf Touren. Möglich wird dies durch das Prinzip der Kielwellenbeschleunigung (Wakefield). Bei dieser wird der antreibende Laser- oder Teilchenstrahl in ein gasförmiges Plasma geschossen. Der Strahl erzeugt ein sogartiges elektrisches Feld ähnlich der Kielwelle eines Bootes. Diese reißt Elektronen aus dem Plasma mit sich und beschleunigt sie.
Bisher ist die Gesamtleistung dieser Miniaturanlagen jedoch begrenzt: Terahertzbeschleuniger kommen nur auf wenige Kiloelektronenvolt, Laserbeschleuniger immerhin auf mehrere Gigaelektronenvolt. Deutlich effektiver sind dagegen Plasmabeschleuniger, bei denen die Kielwelle durch bereits vorbeschleunigte Elektronen- oder Protonenstrahlen erzeugt wird. Doch um diese Teilchen vorab auf Touren zu bringen, wurden bisher immer noch Großanlagen benötigt.
Erst erzeugt ein Laser die Kielwelle….
Jetzt ist es einem Team um Thomas Kurz vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) gelungen, einen Hybrid-Plasmabeschleuniger zu entwickeln, der die Vorteile beider Varianten in sich vereint: Sie nutzen einen Laser-Plasmabeschleuniger, um den Elektronenstrahl für einen zweiten, teilchengetriebenen Plasmabeschleuniger auf die nötige Geschwindigkeit zu bringen. „Diese Kombination galt vor wenigen Jahren noch als illusorisch“, erklärt Koautor Andreas Döpp von der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Konkret besteht die insgesamt nur wenige Zentimeter lange Hybrid-Anlage aus einem ersten Teil, in dem starke Laserpulse auf einen Gasstrahl aus Helium und Stickstoff treffen. Der Laserstrahl macht das Gas zum Plasma und erzeugt einen Elektronenstrahl, der von der Laser-Kielwelle mitgerissen wird. Am Ende der ersten Beschleunigungsstrecke blockiert eine dünne Metallfolie den Laserstrahl, lässt den gebündelten, schnellen Elektronenstrahl aber passieren.
…dann ein vorbeschleunigter Elektronenstrahl
Nun folgt der zweite Beschleunigungsschritt: Der Elektronenstrahl trifft auf einen zweiten Gasstrom aus Wasserstoff und Helium, der bereits vorab durch Laser zum Plasma ionisiert wurde. „Dadurch kann die Plasmabeschleunigung mit dem Treiberstrahl viel effektiver ablaufen“, erklärt Ko-Erstautor Thomas Heinemann von der University of Strathclyde. In diesem Plasma erzeugt nun der Elektronenstrahl eine weitere Kielwelle, die neue Elektronen aus dem Plasma reißt und sie noch weiter beschleunigt – sie zündet gewissermaßen den Turbo.
Innerhalb von nur einem Millimeter bringt der strahlgetriebene Beschleunigerabschnitt die Elektronen dabei auf 128 Megaelektronenvolt. Umgerechnet entspricht dies einem Beschleunigergradienten von mehr als 100 Gigaelektronenvolt pro Meter, wie die Forschenden berichten. Die nur wenige Zentimeter große Mini-Anlage erreicht damit Leistungen, die die der klassischen Großbeschleuniger um das Tausendfache übertrifft.
Neue Chancen auf für kleinere Röntgenlaser
Nach Ansicht des Forschungsteams eröffnet diese hybride Plasmabeschleunigung neue Möglichkeiten, Teilchen auf kleinem Raum und zu geringen Kosten auf Touren zu bringen. Für die physikalische Forschung sei dies ein wichtiger Fortschritt: „Zum einen könnten Forschungsgruppen, die bislang keinen geeigneten Treiberbeschleuniger zur Verfügung haben, diese Technik nutzen und weiterentwickeln“, sagt Arie Irman vom HZDR. „Und zum zweiten könnte unser Hybridbeschleuniger als Basis für einen sogenannten Freie-Elektronen-Laser (FEL) dienen.“
Freie-Elektronen-Laser erzeugen hochfokussierte und kohärente Röntgenstrahlen, mit denen sich die Feinstruktur von Nanomaterialen, Biomolekülen oder geologischen Proben analysieren lässt. Zudem ermöglichen es diese Röntgenlaser, die ultraschnellen Prozesse bei chemischen Reaktionen sichtbar zu machen – beispielsweise beim Zerfall von Wassermolekülen oder der Bildung eines CO2-Moleküls. Bisher waren für diese Strahlquellen kilometerlange Synchrotron-Anlagen notwendig, durch die Hybridtechnologie könnten sie künftig deutlich kompakter und kostengünstiger werden.
„Wir konnten bereits zeigen, dass sich unser kompakter Plasmabeschleuniger ähnlich verhält wie seine deutlich größeren, konventionell getriebenen Pendants. Daher sind wir zuversichtlich, dass wir mit dem Aufbau in der nahen Zukunft extrem helle Elektronenstrahlen erzeugen können“, sagt Stefan Karsch von der LMU München. (Nature Communications, 2021; doi: 10.1038/s41467-021-23000-7)
Quelle: Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, Ludwig-Maximilians-Universität München