Technik

Infraschall verrät Raketenstarts

Schallmuster erlauben die Unterscheidung von Raketentypen und ihren Brennstufen

Space Shuttle
Selbst aus tausenden Kilometern Entfernung lassen sich die Starts von Raketen, hier eines der früheren Space Shuttles, anhand ihres Infraschalls identifizieren. © NASA/ Scott Andrews

Von Space Shuttle bis Falcon 9: Eigentlich sind die Stationen des internationalen Infraschall- Messnetzes dazu gedacht, verbotene Atombombenexplosionen zu erlauschen. Doch sie verraten auch, wo und wann auf der Welt eine Rakete startet, wie sich nun zeigt. Anhand des Infraschall-Musters lässt sich sogar feststellen, von welchem Typ die Rakete ist und welche Brennstufe gerade zündet. Nützlich ist dies vor allem, um die Messungen zu kalibrieren und die Physik der Atmosphäre näher zu erforschen.

Vom Grollen fernen Donners, eines Sturms oder der Meereswellen über Ausbrüche von Unterwasservulkanen bis hin zur Fernkommunikation der Elefanten: Die gesamte Erdatmosphäre ist von einer ganzen Symphonie aus für uns unhörbaren Klängen erfüllt – dem Infraschall. Diese tieffrequenten Schallwellen werden von vielen natürlichen Quellen erzeugt, aber auch von technischen Anlagen und Fahrzeugen. Wegen seiner großen Wellenlänge hat Infraschall eine enorme Reichweite – mit entsprechenden Messgeräten ist er noch aus tausenden Kilometern Entfernung detektierbar.

Infraschall-Messnetz als globales „Ohr“

Genau dies nutzt das International Monitoring System (IMS) aus, dessen 53 weltweit verteilte Stationen wie ein globales „Ohr“ nach ungewöhnlichen Infraschall-Ereignissen lauschen. Hauptzweck dieses Lausch-Netzwerks ist es, Atombombenexplosionen zu detektieren und damit Verstöße gegen das internationale Verbot von Kernwaffentests. Die Mikro-Barometer-Daten der Messstationen können aber auch den Ablauf unterseeischer Vulkanausbrüche aufzeichnen und bei der Erforschung einer Vielzahl von Ereignissen helfen.

Ob sich das Messnetz auch zur Erforschung technischer Abläufe wie beispielsweise eines Raketenstarts eignet, haben nun Christoph Pilger und seine Kollegen von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover untersucht. Dafür werten sie 7.637 Infraschall-Signaturen zwischen 0,01 und vier Hertz aus, die die IMS-Stationen von 2009 bis 2020 aufgezeichnet hatten. In dieser Zeit fanden 1.001 Starts von Raketen für Weltraummissionen statt.

Raketenstart und Folgephasen klar identifizierbar

Es zeigte sich: Die meisten Raketenstarts erzeugten charakteristische Infraschall-Signaturen, anhand derer sich Zeit und Ort präzise rekonstruieren ließen. Die vom Grollen der Triebwerke verursachten Druckwellen waren noch in 5.000 Kilometer Entfernung nachweisbar, in einigen Fällen sogar bis zu 9.000 Kilometer weit, wie die Forscher berichten. Knapp drei Viertel aller Starts hatten deutliche Spuren in den Messdaten hinterlassen, in den restlichen Fällen waren die Raketen zu klein und leise.

Doch nicht nur der Liftoff ließ sich über die Infraschalldaten mitverfolgen – auch der weitere Aufstieg der Raketen erzeugte ein charakteristisches Schallmuster. „Indem wir die Infraschall-Daten weiter verarbeitet haben und Filter ansetzten, konnten wir auch die verschiedenen Brennstufen unterscheiden“, berichtet Pilgers Kollege Paul Hupe. Sogar das Absprengen der ausgebrannten Stufen und deren Wiedereintritt in die Atmosphäre wurden hörbar.

„Wir beobachten fünf bis zehn unterschiedliche Wellenformpulse und Signalfamilien für jede Flugphase – von Start und Aufstieg über die Abtrennung der Booster bis zum Wiedereintritt und der Landung“, erklären die Wissenschaftler.

So klingt ein startendes Space-Shuttle im transponierten Infraschall.© AGU

Von Space-Shuttle bis Falcon-9

Aber nicht nur dass: Die Infraschall-Signaturen sind so charakteristisch, dass Pilger und sein Team auch Rückschlüsse auf die Schubkraft und den Raketentypen ziehen konnten. Sieben davon ließen sich klar anhand ihrer Schallmuster identifizieren: die Space-Shuttles, Soyuz-Raketen, die Ariane 5 der ESA, russische Proton-Raketen sowie mehrere Modelle chinesischer Trägerraketen vom Typ Langer Marsch.

Wie sich die Signaturen unterschieden, verdeutlicht das Team am direkten Vergleich der Starts eines Space-Shuttles und einer Falcon-9 vom Cape Canaveral. „Beim Space-Shuttle beobachten wir zuerst starke Signale vom Zünden der Feststoff-Booster, deren zunehmende Höhe sich in den IMS-Diagrammen als Zunahme der scheinbaren Geschwindigkeit der Schallwellen zeigt“, erklären die Forscher. „Darauf folgt eine zweite Gruppe von Signalen nach der Abtrennung der Booster und deren Absinken. Eine dritte, schwächere Signatur stammt vom Splashdown der Booster ins Meer.“

Bei der Falcon-9-Rakete von SpaceX sei die Startsignatur zwar ähnlich, aber schwächer, weil der Flüssigtreibstoff weniger impulsreiche Infraschallwellen erzeuge, so Pilger und seine Kollegen. Der zweite, von den abgetrennten Boostern erzeugte Wellenteil komme zudem später, weil diese gezielt auf einer Plattform nahe Bermuda landen.

So klingt die Falcon-9-Rakete im infraschall.© AGU

Nützlich für Technik und Atmosphärenforschung

Nach Ansicht der Wissenschaftler sind diese Daten in mehrfacher Hinsicht nützlich: Zum einen lässt sich damit genauer erforschen, wie sich der Infraschall in der Atmosphäre ausbreitet, denn Zeitpunkt und Eigenschaften der Raketen und ihrer Starts sind bekannt. Das trägt auch dazu bei, die Messungen zu kalibrieren. Zum anderen aber könnten die Infraschall-Daten dabei helfen, beispielsweise Probleme beim Start oder dem Wiedereintritt zu erkennen und Hinweise auf den genauen Ablauf bei Pannen zu geben.

„Wir werden unsere Ergebnisse daher auch anderen Forschern zur Verfügung stellen, die mehr Informationen über die Schallerzeugung der Raketen, den Transport der Infraschalls durch die Luft und die Messinstrumente wissen wollen“, so Pilger und sein Team. (Geophysical Research Letters, 2021; doi: 10.1029/2020GL092262)

Quelle: American Geophysical Union

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