Sich in einer fremden Umgebung zurechtzufinden, ist für blinde und sehbehinderte Menschen oft schwierig. Navigationsgeräte können ihnen bei der Orientierung helfen. Stuttgarter Wissenschaftler arbeiten jetzt Informationen für blinde und sehbehinderte Studenten auf, die über mobile Navigationsgeräte mit hoher Positionsgenauigkeit abgerufen werden können. In diesen Geräten ergänzen sich lokale Sensorinformationen und Daten aus Umgebungsmodellen.
Die Anwender erhalten nach der Zieleingabe unter ständigem Abgleich von Sensor- und Modellinformation akustisch oder über eine portable Braillezeile Navigationshinweise und weitere Informationen.
Ziel: selbständige Navigation
Um Personen mit Sehbehinderungen eine selbständige Navigation in den Universitätsgebäuden mit zum Teil sehr komplexen Architekturen zu erleichtern oder überhaupt erst zu ermöglichen, sind vom Institut für Visualisierung und Interaktive Systeme (VIS) der Universität Stuttgart für das Informatikgebäude auf dem Campus in Vaihingen sowie für die Räume des Studienzentrums für Sehgeschädigte an der Universität Karlsruhe hierarchische 2D-Umgebungsmodelle mit erweiterten Informationen erstellt und wichtige Landmarken, wie beispielsweise Türen oder Aufzugsschalter, mit RFID (Radio Frequency Identification)-Tags versehen worden.
Mit Hilfe des ebenfalls am Institut für Visualisierung und Interaktive Systeme entwickelten TANIA-Systems (Tactile-Acoustical Navigation and Information Assistant) erfährt der Nutzer akustisch, wo er ist und was sich in der näheren Umgebung befindet. Dabei wird die aktuelle Position über ein Schritterkennungsverfahren und durch Synchronisierungen mit dem Umgebungsmodell ermittelt.
Mit diesem System können Navigationsinformationen, aber auch beispielsweise Mitarbeiternamen und ihre Kontaktdaten beim Vorbeigehen angesagt oder auf einer portablen Braillezeile angezeigt werden. Darüber hinaus können auch sonstige beliebige Textinformationen ortsbasiert integriert werden, die vor allem für sehbehinderte Studienanfänger wichtig sind: Sprechzeiten von Dozenten, Öffnungszeiten von Bibliotheken, Fachschaften, der Mensa und sonstige studienspezifische Informationen.
System nutzt allen
Inzwischen können blinde Benutzer des TANIA-Systems ihren Weg innerhalb des Informatikgebäudes und zur S-Bahn-Station der Universität Stuttgart ohne fremde Hilfe finden, so die Wissenschaftler um Andreas Hub. Als nächster Schritt ist in Zusammenarbeit mit den Stuttgarter Straßenbahnen geplant, die Stuttgarter Stadtbahn-Haltestelle Friedrichsbau entsprechend auszustatten, um Sehbehinderten auch den Zugang zum Uni-Bereich Stadtmitte zu erleichtern.
Wie in vielen anderen Bereichen zeigt sich auch im Rahmen des Projekts, dass eine Umsetzung der Gesetze zur Barrierefreiheit und zur Zugänglichkeit öffentlicher Gebäude und Bereiche allen nützen kann. Denn auch für Sehende ist die Orientierung auf dem weitläufigen Uni-Campus nicht immer einfach. Eine Bereitstellung der neuen Informationen kann daher allen, die an der Universität zu tun haben – auch Gästen oder Lieferanten – von Nutzen sein.
(idw – Universität Stuttgart, 10.08.2009 – DLO)