Wenn sich Atome zu Molekülen verbinden, teilen sie sich ihre äußeren Elektronen. Diese bilden eine negative Ladungswolke, in der die Elektronen zwischen beiden positiv geladenen Kernen hin und her flitzen. Man kann dann nicht mehr sagen kann, zu welchem Kern sie gehören. Aber gilt das auch für die näher am Kern liegenden Elektronen? Sind sie auch im Molekül verschmiert oder gehören sie weiterhin zu einem der Atomkerne, sind also lokalisierbar? Diese seit über 50 Jahren umstrittene Frage ist jetzt von einem internationalen Forscherteam gelöst worden.
{1l}
Die Antwort ist versöhnlich: Wie so oft in der Quantentheorie ist ein „sowohl als auch“ richtig, so die Wissenschaftler unter Leitung Frankfurter Atomphysiker in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Science“.
In ihrer Studie haben die Wissenschaftler Stickstoffmolekülen (N2) das innerste, nahe am Kern gelegene Elektron entfernt. Dies geschah mit hochenergetischem Licht aus der Synchrotronstrahlungsquelle an der Advanced Light Source des Lawrence Berkeley National Laboratory in Berkeley, Kalifornien.
„Spukhafte Fernwirkung“ längst nachgewiesen
Bei diesen Photo-Elektronen liegt die Vermutung nahe, dass sie einem bestimmten Kern zugeordnet und damit lokalisiert werden können. Sie hinterlassen ein Loch in der inneren Kernschale, welches von einem äußeren Elektron aufgefüllt wird. Unter anderem wird dabei ein zweites Elektron (Auger-Elektron) mit hoher Geschwindigkeit aus dem Molekül katapultiert. Das Auger-Elektron ist quasi eine Sonde, die nachmisst, wo das anfängliche Loch entstand.
Beide Elektronen – das Photo- und das Augerelektron – bilden einen verschränkten Zustand, was bedeutet, dass sobald man das eine gemessen hat, man direkt sagen kann, was mit dem zweiten passiert. Diese von Einstein als „spukhafte Fernwirkung“ abgelehnte Vorhersage der Quantentheorie hat man inzwischen mit Zwillingsphotonen nachweisen können.
Verschränkte Zustände auch bei Elektronen
Dem Team um Professor Reinhard Dörner ist es nun mithilfe der in Frankfurt entwickelten COLTRIMS-Technologie erstmals gelungen, solche verschränkten Zustände auch bei Elektronen nachzuweisen. Ihre Apparatur macht die Wege beider entstehenden Teilchen sichtbar. Wie die Physiker in „Science“ berichten, lässt sich die Frage, ob Elektronen lokalisiert sind oder nicht, nur für das gesamte System beantworten.
Ist das innerste Elektron lokalisiert, so lässt sich auch das zweite Elektron einem der beiden Atomkerne im Molekül zuordnen. Es gibt aber auch Fälle, in denen man nicht weiß, ob das erste Elektron vom linken oder rechten Atom stammt. Dann ist auch das zweite Elektron delokalisiert.
Einheitliches Modell erklärt Beobachtungen
Mit den Details, die hinter diesen Experimenten stecken, lassen sich die Beobachtungen der vergangenen 50 Jahre mit einem einheitlichen Modell erklären und verstehen, sodass beide Fraktionen – die des lokalisierten und delokalisierten Bildes – wieder versöhnt werden können.
Für Markus Schöffler, der für die Messungen verantwortlich war, ergeben sich daraus spannende Perspektiven: Er wird an den Fragestellungen, die sich aus seiner Arbeit ergeben, künftig im Rahmen eines Stipendiums der Alexander von Humboldt-Stiftung in Berkeley weiterforschen.
(idw – Universität Frankfurt (Main), 19.05.2008 – DLO)