Strom möglichst verlustfrei zu leiten – den Weg zu diesem Ziel haben Dresdner Physiker geebnet. Sie entwickelten widerstandsfreie Stromleitungen aus spröder Keramik. Für das Bezwingen der Tücken dieses spröden Materials erhalten sie nun den Wissenschaftspreis des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft.
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Das Phänomen Supraleitung, also vollkommen verlustfreier Stromtransport, fasziniert seit der Entdeckung der ersten Supraleiter im Jahre 1911 Wissenschaftler und Laien gleichermaßen. Als vor genau 20 Jahren die Entdeckung der Hochtemperatur-Supraleitung in oxidischen Keramiken durch den Deutschen Georg Bednorz und den Schweizer Alex Müller bekannt wurde, führte dies schnell zu euphorischen Anwendungsvisionen in Elektronik, Messtechnik und Energietechnik.
Hürden bremsen Anwendung
Die damals einsetzende und intensiv öffentlich geförderte grundlagen- und anwendungs-orientierte Forschung zeigte in den folgenden Jahren aber sehr deutlich, dass ein harter Weg von der Entdeckung des Phänomens bis zum Verständnis und zur technologischen Anwendung dieser Materialklasse zu überwinden ist. Für Anwendungen in der Energietechnik werden Kilometer lange Drähte und Kabel mit hoher Stromtragfähigkeit benötigt. Das ist für die Materialklasse der Hochtemperatur-supraleiter (HTSL) eine materialwissenschaftliche Herausforderung ersten Ranges.
Zum einen lassen sich die spröden Keramiken nicht – wie zum Beispiel metallisches Kupfer – durch einfache mechanische Verformung zu langen Drähten ziehen. Zum anderen zeigte sich, dass eine hohe Stromtragfähigkeit der Hochtemperatur- supraleiter nur in weitgehend einkristallinen Bereichen möglich ist. Es mussten also völlig neuartige Technologien entwickelt werden, die die Herstellung kilometerlanger, nahezu einkristalliner Drähte erlauben. Darüber hinaus müssen derartige Herstellungstechniken kostengünstig und skalierbar sein, um den Verdrängungswettbewerb mit dem konventionellen Leitermaterial Kupfer erfolgreich bestehen zu können.
Basis für Supraleiterkabel gelegt
Durch ihre von Beginn an interdisziplinäre Herangehensweise konnten Bernhard Holzapfel und Ludwig Schultz entscheidende Beiträge erarbeiten, die nunmehr die Basis für die technologische Realisierung von Hochtemperatur-supraleiterkabeln bilden und aktuell von mehreren Firmen genutzt werden. Stromkabel auf HTSL-Basis, die verlustfrei Strom leiten, könnten eines Tages zur Entschärfung der sich abzeichnenden Energiekrise beitragen. Der zu erwartende praktische Nutzen der Arbeiten war mit ein Preiskriterium.
"Aufgrund der von Bernhard Holzapfel und Ludwig Schultz gemeinsam durchgeführten wegbereitenden Grundlagenarbeiten für die erfolgreiche Realisierung von HTSL-Bandleitern hat die Materialforschung auf diesem Gebiet nunmehr einen Stand erreicht, der eine umfassende technologische Anwendung im Bereich der Energietechnik realisierbar erscheinen lässt", heißt es in der Begründung der Jury. Die beiden Physiker vom Leibniz- Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung in Dresden bekommen den Preis in der Kategorie "Gesellschaft braucht Wissenschaft". Die Preisverleihung findet auf der Jahrestagung der Leibniz- Gemeinschaft am 23. November 2006 in Berlin statt.
(Leibniz-Gemeinschaft, 27.09.2006 – NPO)