Technik

Kernfusion: Gigantische „Tupperdose“ für heißes Plasma

Fusionsexperiment Wendelstein nimmt Gestalt an

Plasmakammer von Wendelstein 7-X © IPP, W. Filser

Ziel der Fusionsforschung ist es, ähnlich wie die Sonne aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie zu gewinnen. In Deutschland soll das Fusionsexperiment Wendelstein 7-X in einigen Jahren neue wichtigste Erkenntnisse liefern. Am Standort Greifswald nimmt das Projekt allmählich Gestalt an: die Kammer, die später das heiße Plasma einschließen wird, ist jetzt fertig gestellt worden.

Um das Fusionsfeuer zu zünden, muss in einem späteren Kraftwerk der Brennstoff, ein Wasserstoffplasma, in Magnetfeldern eingeschlossen und auf extreme Temperaturen über 100 Millionen Grad aufgeheizt werden. Wendelstein 7-X, die nach der Fertigstellung weltweit größte Fusionsanlage vom Typ Stellarator, hat die Aufgabe, die Kraftwerkseignung dieses Bautyps zu untersuchen.

Die 20 Sektoren des bizarr geformten, 35 Tonnen schweren Gefäßes wurden aus mehreren hundert Einzelteilen zusammengefügt – ein handwerkliches Meisterstück. Die Montage der komplexen Gesamtanlage, die im Frühjahr 2005 im Teilinstitut Greifswald des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) begonnen hat, wird rund sechs Jahre dauern.

Ein Gefäß aus 20 Ringen

Gefertigt wurde das Plasmagefäß von MAN DWE in Deggendorf in 20 Teilstücken, von denen vier im IPP bereits für die Montage des Experiments genutzt werden. Zu einem annähernd ringförmigen Gefäß von rund zwölf Metern Durchmesser zusammengesetzt, wird die Plasmakammer später das heiße Plasma einschließen. In seiner Form ist das Gefäß dem verwundenen Plasmaschlauch angepasst. Diese eigenwillige Gestalt zusammen mit der verlangten hohen Maßhaltigkeit machte die Herstellung zu einer anspruchsvollen Aufgabe: Stellenweise sind die Toleranzen nicht größer als drei Millimeter.

Um die bizarre Form in Stahl nachzubilden, wurde das 35 Tonnen schwere Gefäß aus 200 einzelnen Ringen aufgebaut. Jeder Ring wiederum besteht aus mehreren fingerdicken und 18 Zentimeter breiten Stahlblechstreifen, die vielfach geknickt die geschwungenen Konturen nachformen. Mehr als 1600 Meter Schweißnaht fügen die über achthundert Einzelteile des Gefäßes vakuumdicht zusammen. Dazu wurden die zu verbindenden Bauteile in genau definierter Position in zwei Millimeter Abstand voneinander fixiert und der Spalt durch mehrere neben- und übereinander per Hand angeschweißte Lagen von Draht geschlossen – insgesamt wurden dabei einige Kilometer Schweißdraht verbraucht.

299 Öffnungen, durch die später das Plasma beobachtet und geheizt sowie wärmebelastete Wandpartien gekühlt werden sollen, wurden anschließend mit scharfem Wasserstrahl in die Gefäßteile geschnitten. Jeder der 20 Sektoren wurde auf der Innenseite mit Halterungen für die spätere Wandverkleidung versehen und außen mit Kühl- und Heizrohren.

Magnetischer Käfig hält Plasma in der Schwebe

Es folgten Tests sämtlicher Gefäßsegmente und Rohre auf Ultrahochvakuumdichtigkeit. Dreidimensionale Vermessungen mit dem Lasertracker begleiteten die Fertigung von Anfang an und stellten sicher, dass die vorgegebene Form auch exakt erreicht worden war: „Die asymmetrische Gestalt gepaart mit der verlangten hohen Genauigkeit machte all dies“, so fasst der für das Plasmagefäß verantwortliche IPP-Ingenieur Bernd Hein zusammen, „zu einem Behälterbau am Rand des technisch Möglichen, der höchste Anforderungen an das handwerkliche Können der Beteiligten stellte“.

Im fertigen Experiment wird das Plasmagefäß im Inneren eines Kranzes aus 70 supraleitenden Magnetspulen liegen. Sie erzeugen den magnetischen Käfig, der das Plasma vor den Innenwänden des Plasmagefäßes in Schwebe hält. Der Spulenkranz wiederum ist umgeben von einer wärmeisolierenden Außenhülle. Eine Superisolation umschließt den luftleeren Raum zwischen Plasma- und Außengefäß und trennt die mit flüssigem Helium auf Supraleitungstemperatur abgekühlten Magnetspulen von ihrer warmen Umgebung. Die gesamte Anlage ist aus fünf nahezu baugleichen Modulen aufgebaut, die vormontiert und dann in der Experimentierhalle kreisförmig zusammengesetzt werden. Die Montage von Wendelstein 7-X, die bereits im Frühjahr 2005 begonnen hat, wird rund sechs Jahre dauern.

(idw – Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, 20.01.2006 – DLO)

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