Verräterische Vorzeichen: Künstliche Intelligenz könnte dabei helfen, die Alzheimer-Demenz Jahre vor dem Auftreten der ersten Symptome zu erkennen. In einem ersten Pilotversuch haben Forscher einen lernfähigen Algorithmus darauf trainiert, subtile Vorzeichen der Demenzerkrankung in speziellen Hirnscans zu identifizieren. Diese Veränderungen im Hirnstoffwechsel sind für Mediziner oft kaum erkennbar. Das KI-System jedoch erreichte eine Trefferquote von 100 Prozent, wie die Forscher berichten.
Es ist eine der großen Stärken künstlicher Intelligenz: Lernfähige Computersysteme sind besonders gut darin, subtile Gemeinsamkeiten in Datensätzen zu erkennen. Durch Training mit umfangreichen Beispieldaten können sie dadurch selbstständig lernen, beispielsweise Darmkrebsvorstufen, Brustkrebs oder Melanome in medizinischen Aufnahmen zu identifizieren. Teilweise liegen die Trefferquoten solcher Maschinenhirne bereits höher als die erfahrener Ärzte.
Vorzeichen im Hirnstoffwechsel
Doch kann die KI auch Vorzeichen deuten, die selbst Medizinern meist entgehen? Ein klassischer Fall ist die Früherkennung bei der Alzheimer-Demenz. Typischerweise wird der fortschreitende Abbau der Hirnsubstanz erst dann diagnostiziert, wenn sich die ersten Symptome manifestieren. „Doch dann ist der Verlust der Hirnsubstanz schon so schwerwiegend, dass es für Interventionen meist zu spät ist“, erklärt Jae-Ho Sohn von der University of California in San Francisco.
Das Problem: Zwar gibt es subtile Verschiebungen im Hirnstoffwechsel, die mit einer speziellen Variante der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) sichtbar gemacht werden können. Dabei wird die Aufnahme von radioaktiv markierten Zuckermolekülen verschiedene Hirnregionen abgebildet. Doch die für Frühstadien von Alzheimer typischen Veränderungen sind dabei nur schwer erkennbar. „Wir Menschen sind gut darin, spezifische Biomarker einer Krankheit zu finden“, erklärt Sohn. „Aber diese metabolischen Veränderungen repräsentieren einen subtileren und diffuseren Prozess.“
Trefferquote 100 Prozent
An diesem Punkt kommt die künstliche Intelligenz ins Spiel: Sohn und sein Team wollten wissen, ob die gute Mustererkennung eines lernfähigen Algorithmus die Alzheimer-Vorzeichen in den Hirnscans möglicherweise besser entdecken kann als ein Mensch. Für ihr Experiment trainierten sie das KI-System an gut 2.0000 PET-Aufnahmen von Alzheimer-Patienten im Frühstadium. Anschließend sollte die KI 40 noch nicht zuvor gesehene Aufnahmen bewerten.
Das erstaunliche Ergebnis: Die künstliche Intelligenz hatte eine Trefferquote von 100 Prozent. „Wir waren sehr erfreut: Das System konnte jeden einzelnen Fall identifizieren, der sich später tatsächlich zu Alzheimer entwickelte“, sagt Sohn. Teilweise waren diese PET-Aufnahmen mehrere Jahre vor dem Auftreten der ersten Symptome und einer endgültigen Diagnose entstanden.
Frühere Diagnose – bessere Therapie
Nach Ansicht der Forscher belegt dies, dass KI-Systeme die Früherkennung der Demenzerkrankung verbessern könnten. Zwar war dies erst eine Pilotstudie, die durch umfangreichere, multizentrische Studien überprüft und ergänzt werden muss. Dennoch sind Sohn und sein Team zuversichtlich, dass lernfähige Algorithmen künftig Radiologen und Neurologen bei der Alzheimer-Früherkennung unterstützen können.
Auch für die Suche nach neuen Therapien könnte die frühe Identifizierung hilfreich sein: „Wenn wir die Alzheimer-Krankheit früher erkennen, dann ist das eine Chance für Forscher, neue und bessere Wege zu finden, um das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten oder zu verlangsamen“, sagt Sohn. (Radiology, 2018)
(Radiological Society of North America, 07.11.2018 – NPO)