Informatik

KI lernt Fahrradfahren

Neuartige Chip-Plattform kombiniert klassisches Maschinenlernen mit neuromorpher KI

KI-Fahrrad
Dieses automone Fahrrad demonstriert die Leistungen einer hybriden KI: Es wird von einer Kombination aus klassischen neuronalen Netzen und neuromorphen Netzwerken gesteuert. © Pei et al./ Nature

Zwei Welten kombiniert: Forscher haben einen Chip entwickelt, der zwei grundlegende Formen der künstlichen Intelligenz in sich vereint – computerbasiertes Maschinenlernen und KI nach Vorbild des Gehirns. Dadurch ist das System so leistungsfähig, dass es sogar das Fahrradfahren meistert. In Echtzeit hält das selbstfahrende Fahrrad nicht nur die Balance, es überwindet auch Bodenunebenheiten und befolgt Sprachbefehle.

Wenn es darum geht, lernfähige und intelligente Maschinen zu konstruieren, gibt es zwei grundlegende Modelle. Das computerbasierte System beinhaltet unter anderem neuronale Netzwerke, die über Algorithmen und knotenförmig vernetzte Operationen arbeiten. Zu diesen KI-System gehören unter anderem die Go und Schach spielende KI AlphaZero, aber auch Systeme, die Sprache aus Gehirnwellen auslesen oder Alzheimer-Vorzeichen erkennen.

Doch es gibt noch eine zweite Variante der künstlichen Intelligenz. Diese neuromorphen Systeme übernehmen nicht nur die Netzwerkstruktur des Gehirns, sondern arbeiten auch nach Art der Nervenzellen. Sie kommunizieren über künstliche Synapsen, die erst bei Überschreiten eines elektrischen Aktionspotenzials aktiv werden. Diese „Spikes“ bilden bei den gepulsten neuronalen Netzen die Grundlage der Signalweitergabe.

Hybrid-Chip kombiniert beide Ansätze

Inzwischen jedoch arbeiten Wissenschaftler zunehmend daran, beide Ansätze miteinander zu kombinieren – quasi als das Beste zweier Welten. „Das aber erfordert eine allgemeine Plattform, die sowohl künstliche neuronale Netzwerke als auch die neurowissenschaftlich inspirierten Modelle und Algorithmen in einer vereinheitlichten Architektur integriert“, erklären Jing Pei von der Tsinghua Universität in Peking und seine Kollegen.

Eine solche Kombi-Plattform haben sie nun in Form des Tianjic-Chips konstruiert. „Dieser Chip nutzt eine Vielkern-Architektur, rekonfigurierbare Bausteine und einen angepassten Datenstrom mit hybriden Codierungsschemata“, erklären die Forscher. Die Bauteile sind dabei so konstruiert, dass sie Funktionen beider Ansätze übernehmen und verarbeiten können – und dies sogar parallel. Dadurch kann der Chip beispielsweise gleichzeitig ein klassisches und ein gepulstes neuronales Netzwerk unterhalten.

Autonomes Fahrrad als Härtetest

Ob der neue Chip funktioniert und wie leistungsfähig er ist, haben Pei und sein Team an einem ganz praktischen Beispiel getestet – einem selbstfahrenden Fahrrad. Im Gegensatz zu früheren Modellen solcher Vehikel besitzt ihr Fahrrad aber weder Stützräder noch fährt es auf drei Rädern. Es muss sich daher selbst ausbalancieren – schon das ist eine echte Herausforderung.

Das KI-gesteuerte Fahrrad meisterte dies jedoch mit Bravour, wie ein Video demonstriert. Zusätzlich kann es Sprachbefehle befolgen, Unebenheiten überwinden und es fährt einem Menschen selbstständig nach – es folgt ihm wie ein Hund seinem Herrchen. „Dies erfordert in Echtzeit ein Tracking von Objekten, eine Spracherkennung, die Gleichgewichtskontrolle und das Fällen von Entscheidungen“, erklären die Wissenschaftler.

Das KI-Fahrrad in Aktion.© Pei et al./ Nature

Wegbereiter für hybride KI

Möglich wird dies durch eine Kombination mehrerer neuronaler Netzwerke, wie die Forscher berichten. Einige davon waren nach computerbasiertem Schema strukturiert, andere waren neuromorph organisiert. „Der Tianjic-Chip erlaubte es all diesen Netzwerkmodellen, parallel zu arbeiten und nahtlos miteinander zu kommunizieren.“, berichten Pei und sein Team.

Nach Ansicht der Forscher ebnet ihre Plattform damit den Weg zu hybriden KI-Systemen, die die Vorteiler beider Grundansätze miteinander kombinieren. „Wir hoffen, dass unsere Erkenntnisse die Entwicklung einer allgemeinen künstlichen Intelligenz beschleunigen wird, die dann für viele Anwendungen in der realen Welt nutzbar sein wird, konstatieren die Wissenschaftler. (Nature, 2019; doi: 10.1038/s41586-019-1424-8)

Quelle: Nature

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