Nase vorn: Autonome Drohnen gibt es zwar schon länger, aber sie sind meist relativ langsam. Doch jetzt haben Forscher eine künstliche Intelligenz entwickelt, die selbst Weltklasse-Drohnenpiloten in einem Rennen besiegen kann. Das KI-System Swift benötigt nur die von der Bordkamera und Sensoren gelieferten Informationen, um den Rennparcours samt Hindernissen schneller zu absolvieren als die Piloten – allerdings muss sie ihre Route erst im Simulator trainieren.
Künstliche Intelligenz ist längst in viele vermeintlich nur von Menschen beherrschbare Gebiet vorgedrungen: KI-Systeme schlagen uns in Strategie- und Videospielen, können programmieren, knacken den Faltungscode von Proteinen, schreiben Gedichte und Texte und zeigen sogar Kreativität. Bisher zeigen sie ihre besten Leistungen aber im rein digitalen Bereich. Wenn es um die Integration von KI-Systemen in Roboter und Drohnen geht, hinkt die Entwicklung noch etwas hinterher.
KI steuert Drohne
Doch das beginnt sich zu ändern: Ein KI-System hat nun erstmals menschliche Champions in einem Weltklasse-Drohnenrennen geschlagen. Die künstliche Intelligenz „Swift“ besiegte dabei drei Weltklasse-Champions im First-Person-View-Drohnenrennen. Dabei steuern Piloten den Quadrocopter über ein Headset, das mit einer Onboard-Kamera verbunden ist. Die Drohnen erreichen beim Durchkurven eines Hindernisparcours Geschwindigkeiten von über 100 Stundenkilometern.
„Physische Sportarten sind für die KI eine größere Herausforderung, weil sie weniger vorhersehbar sind als Brett- oder Videospiele. Die KI muss sie in Interaktion mit der physischen Welt einstudieren“, erklärt Seniorautor Davide Scaramuzza von der Universität Zürich. Noch 2017 verloren KI-Systeme gegen menschliche Piloten und normale autonome Drohnen brauchen oft doppelt so lange wie von Menschen gesteuerte, um eine Strecke zu durchfliegen, außer sie verlassen sich auf ein externes Positionsbestimmungssystem.
Verknüpfte neuronale Netze am Start
Die von den Züricher Forschern in Kooperation mit Intel entwickelte Drohnen-KI Swift reagiert dagegen in Echtzeit auf die Daten, die von seiner Onboard-Kamera gesammelt werden. Die integrierte Trägheitsmesseinheit misst zusätzlich Beschleunigung und Geschwindigkeit. Ein neuronales Netz des KI-Sytems nutzt dann die Kameradaten, um die Drohne im Raum zu lokalisieren und die Tore entlang der Rennstrecke zu erkennen.
Diese Informationen werden an die Steuereinheit der KI weitergeleitet, die ebenfalls auf einem tiefen neuronalen Netz basiert. Sie wählt die beste Aktion aus, um die Strecke so schnell wie möglich zu beenden. „Dieser Algorithmus ist der erste, der die schnellstmöglichen Flugbahnen generiert und gleichzeitig die Grenzen der Drohne wirklich berücksichtigt“, sagt Scaramuzza.
Training im Simulator
Bevor die Drohnen-KI im Rennen gegen menschliche Gegner antrat, wurde sie jedoch zunächst trainiert – in einer simulierten Umgebung, damit dabei nicht ständig echte Quadrocopter kollidieren, abstürzen und zerstört werden. „Um sicherzustellen, dass die Folgen von Aktionen im Simulator denen in der realen Welt so nahe wie möglich kommen, haben wir eine Methode zur Optimierung des Simulators mit realen Daten entwickelt“, sagt Erstautor Elia Kaufmann von der Universität Zürich.
In der Trainingsphase kam das sogenannte Reinforcement Learning zum Einsatz. Dabei flog die Drohne zunächst die Routen mithilfe eines externen Positionsbestimmungssystems ab und zeichnete gleichzeitig Daten von ihrer Kamera auf. Durch ständigen Abgleich der beiden Datenströme lernte sie, Fehler, die sie bei der Interpretation der bordeigenen Kamera- und Sensor-Daten machte, selbst zu korrigieren.
Akrobatische Schnellflug-Manöver
Dann war es soweit: Die Drohnen-KI trat gegen drei Weltklasse-Champions im First-Person-View-Drohnenrennen an: den Drone Racing League Champion 2019 Alex Vanover, den MultiGP Drone Racing Champion 2019 Thomas Bitmatta und den dreifachen Schweizer Meister Marvin Schaepper. Die Rennen fanden in einem Hangar des Flughafens Dübendorf bei Zürich statt und umfasste eine Fläche von 25 mal 25 Metern mit sieben quadratischen Toren, die in der richtigen Reihenfolge passiert werden mussten, um eine Runde zu absolvieren.
Um den Parcours zu bewältigen, mussten die Drohnen anspruchsvolle Manöver durchführen, darunter ein Split-S, eine akrobatische Übung, bei der die Drohne halb gerollt wird und bei voller Geschwindigkeit einen absteigenden Halblooping vollführt. Insgesamt schaffte Swift die schnellste Runde, mit einer halben Sekunde Vorsprung vor der Bestzeit eines menschlichen Piloten. Allerdings: Wenn die Bedingungen sich gegenüber den trainierten veränderten, lag die Drohen-KI hinten – sie ist noch nicht so anpassungsfähig wie ihre menschlichen Konkurrenten.
Praktischer Nutzen
Nach Ansicht der Forschenden sind solche Drohnen-KIs und ihre Schnellflugfähigkeiten mehr als nur Spielerei: Sie können gegenüber den herkömmlichen autonomen Drohnen auch ganz praktische Vorteile haben. „Wenn wir schneller fliegen, erhöhen wir ihren Nutzen. Bei Anwendungen wie der Überwachung von Wäldern oder der Erforschung des Weltraums ist dies wichtig, um große Flächen in kurzer Zeit zu erfassen“, erklärt Scaramuzza.
Schnelle autonome Drohnen könnten aber auch für die Aufnahme von Actionszenen für Filme eingesetzt werden. „Nicht zuletzt kann eine hohe Fluggeschwindigkeit einen entscheidenden Unterschied in Rettungsaktionen machen – etwa bei Drohnen, die in ein brennendes Gebäude geschickt werden“, so der Forscher. (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-023-06419-4)
Quelle: Universität Zürich