Bei geothermischen Bohrungen kann es immer wieder zu Fehlschlägen kommen, weil der Bohrer nicht die richtige Stelle trifft. Um dieses Risiko zu minimieren, wurde nun eine spezielle Bohrtechnik entwickelt, bei der auch die Umgebung der Hauptbohrung perforiert wird. So entsteht ein Netz aus kleinen Tunneln, aus denen das durch die Erdwärme erhitzte Wasser abgezapft und zur Stromerzeugung genutzt werden kann. Möglich wird dies durch eine spezielle, besonders kleine Bohrturbine.
Im Rahmen der Energiewende sucht die Menschheit nach verlässlichen und nachhaltigen Energiequellen. Neben Wind- und Solarenergie kann auch die Geothermie hierbei eine große Rolle einnehmen. Um Erdwärme nutzbar zu machen, wird unter anderem mehrere hundert Grad heißes Wasser aus Reservoiren, Klüften und Rissen an die Oberfläche gepumpt. Dort kann es in Dampfturbinen zur Stromerzeugung oder für Wärmepumpensysteme genutzt werden, bevor es wieder in die Erdkruste abgeleitet wird.
Die für die Geothermie nötigen, oft mehrere tausend Meter tiefen Bohrungen sind allerdings nicht immer erfolgreich. Das Risiko danebenzuliegen und nichts zu finden – Fachleute sprechen vom Fündigkeitsrisiko – liegt bei etwa 30 Prozent.
Viele kleine Nebentunnel
Niklas Geißler von der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie (Fraunhofer IEG) hat mit seinem Team nun eine Bohrtechnik entwickelt, mit der sich dieses Risiko verringern lässt. Das geschieht durch „Micro Turbine Drilling“ (MTD), bei dem das Umfeld der Hauptbohrung durch kleine Nebenbohrungen in einem Umkreis von etwa 50 Metern perforiert wird. So werden auch benachbarte Wasserreservoire angezapft, deren Inhalt dann zusätzlich gefördert werden kann.
Dadurch sollen Geothermie-Bohrungen effizienter und risikoärmer werden. „Bohrungen, die mehrere Kilometer in die Erdkruste vordringen, kosten mehrere Millionen Euro. Die mit dem MTD herstellbaren Zweigbohrungen vergrößern das Einzugsgebiet für das Heißwasser. Das Fündigkeitsrisiko sinkt deutlich“, erklärt Geißler.
Nur 3,6 Zentimeter Durchmesser
Das Herzstück der MTD-Technik bildet eine Mikro-Bohrturbine, deren Meißel aus Wolframcarbid mit eingearbeiteten Diamantkörnern besteht. Das Gerät besitzt bei einer Länge von zehn Zentimetern einen Durchmesser von 3,6 Zentimetern, was für einen Bohrkopf für geothermische Bohrungen sehr klein ist.
Angetrieben wird die Turbine mithilfe von etwa 100 bar Wasserdruck, wodurch sie sich bis zu 80.000-mal in der Minute dreht. „In der Stunde schaffen wir zwei bis drei Meter. Das Wasser, das die Mikroturbine antreibt, dient zugleich als Kühlung, damit der Bohrer nicht heiß läuft, und auch als Spülung, um den Bohrstaub abzutransportieren“, erklärt Geißler.
Auf alles vorbereitet
Ein weiterer Vorteil des Spezialbohrers ist, dass er einerseits durch sehr hartes Gestein, andererseits aber auch durch Stahl kommt. Da das Loch der Hauptbohrung meist mit Stahl verkleidet wird und die Nebenbohrungen mit der MTD-Technik erst im Nachhinein durchgeführt werden, ist dies eine besonders wichtige Fähigkeit. Nur so können sowohl Metall als auch Gestein durchbohrt werden, ohne dass der Bohrkopf gewechselt werden muss.
Eine Herausforderung war laut den Forschern auch die Frage, wie der Mikro-Bohrkopf aus der Richtung der Hauptbohrung abgelenkt werden kann, so dass er in einem relativ großen Angriffswinkel ins umliegende Gestein eintritt. Hierfür haben sie einen speziellen Ablenkschuh entwickelt, mit dem der Bohrer in einem Winkel von etwa 45 Grad aus dem Hauptbohrloch herausgeführt werden kann.
Entwicklung geht weiter
Im nächsten Schritt wollen die Forscher nun ein akustisches System zur Bohrüberwachung entwickeln. Mithilfe des Stahlrohres der Hauptbohrung wollen sie die Geräusche des Nebenbohrers nach oben leiten, wo sie analysiert werden können. Durch die Analyse des akustischen Pulsmusters, das bei der Bohrung entsteht, lassen sich die Gesteinsarten erkennen, die der Meißel gerade bearbeitet. Außerdem lässt sich dadurch feststellen, ob der Bohrer sich in der richtigen Geschwindigkeit dreht, gerade feststeckt oder gar leerläuft.
Laut Geißler ist die Technologie auch nicht nur für Geothermie-Anwendungen einsetzbar. „Generell kann das MTD in jeder Tiefbohrung eingesetzt werden, wo es darauf ankommt, die Umgebung einer Bohrung mit möglicherweise heterogenen Gesteinsarten zu erkunden. Hierzu zählt auch die Öl- oder Gasindustrie“, so der Wissenschaftler. „Im Bereich Geotechnologien oder Tunnelbau können mit dieser Mikro-Bohrtechnologie beispielsweise auch Ankerbohrungen an schlecht zugänglichen Stellen gesetzt werden, an denen der Einsatz konventioneller Geräte aus Platzgründen nicht möglich ist.“
Quelle: Fraunhofer-Gesellschaft