Züricher Wissenschaftler haben eine Nanospritze entwickelt, mit der Medikamente, DNA und RNA in eine einzelne Zelle injiziert werden können, ohne diese zu verletzen. Neben biologischen Anwendungen könnte das Verfahren auch zur Produktion von Mikroelektronik verwendet werden, berichten die Forscher in der Fachzeitschrift „Nano Letters“.
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Eigentlich wollte Tomaso Zambelli vom Institut für Biomedizinische Technik der ETH Zürich das Rasterkraftmikroskop (Atomic Force Microscope, kurz AFM) wie üblich dazu nutzen, einzelne Zellen abzubilden. Zusammen mit seinen Kollegen bemerkte er jedoch, dass alle Teile vorhanden sind, um eine Nanospritze zu entwickeln. Entstanden ist aus dieser Idee das „Fluid force microscope“ (FluidFM), die zurzeit kleinste, automatisierte Spritze der Welt.
Fingerspitzengefühl gefragt
Das Einwirken auf einzelne Zellen erfordert viel manuelles Geschick: Über Glasmikropipetten, die mit Hilfe eines Mikromanipulators unter einem lichtstarken Mikroskop bedient werden, spritzt man der Zelle einen potentiellen Wirkstoff. Mit derselben Apparatur können feinste elektrische Signale in der Zelle gemessen werden, woraus sich Rückschlüsse auf die Aktivität von Proteinen der Membran ziehen lassen. Für diese Experimente müssen die Forscher viel Erfahrung
mitbringen: Das Verfahren ist fehleranfällig und oft werden die Zellen bei solchen Untersuchungen beschädigt.
Zambelli hat nun vom klassischen AFM die ultra-spitze Messnadel und die sensitive Kraftkontrolle über einen Laserstrahl übernommen. Diese Technologie kombinierte er mit den Erfahrungen von CSEM SA Neuchâtel, das auf Mikrofabrikation spezialisiert ist und eine der Kernkomponenten des Systems herstellt: Im Verbindungsstück von der Messnadel zum Steuerungsgerät – dem so genannten Cantilever – haben die Wissenschaftler einen Mikrokanal von 500 Nanometern Durchmesser verlegt, der es erlaubt, Flüssigkeiten und Lösungen über die Messnadel in eine Zelle einzuspritzen.
500 Mal kleiner als ein menschliches Haar
Die Öffnung an der Nadelspitze hat nach Angaben der Forscher einen Durchmesser von 200 Nanometern und ist damit 500 Mal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Über diese Spitze können Medikamentenwirkstoffe, DNA oder RNA in eine Zelle injiziert werden. Die Auswirkungen dieser Injektionen lassen sich dann beobachten. Im Gegensatz zum herkömmlichen manuellen System, kann dabei die Kraft der Nadel auf die Zelle so präzise dosiert werden, dass diese nicht unnötig verletzt wird, berichten die Wissenschaftler.
Virus in einzelne Zelle injiziert
Die Forscher haben gemeinsam mit verschiedenen Professoren des Biologie-Departments der ETH Zürich nach Anwendungen des FluidFM gesucht. Zusammen mit dem Team von Ari Helenius vom Institut für Biochemie der ETH Zürich testete man zum Beispiel, wie ein Virus in eine einzelne Zelle eindringt. Als nächstes versuchen sie, eine exakte Probe aus einer Zelle zu entnehmen.
Mit Hilfe dieser Technologie können auch schwache elektrische Signale gemessen werden. Mit einem integrierten System wäre es möglich, einzelne Zellen während der Injektion von Wirkstoffen in Echtzeit zu beobachten – alles mit ein und derselben Apparatur.
„Für die Biologie und die Pharmaforschung wäre dies ein riesiger Fortschritt. Damit würden erstmals vollautomatisierte Selektionsverfahren ermöglicht, mit welchen die Folgen von Medikamentenwirkstoffen auf Membranproteine beobachtet werden könnte“, erläutert Zambelli.
Spritze für Mikrochips
Vielversprechend ist das FluidFM nicht nur im Hinblick auf Anwendungen in der Biologie, sondern auch in der Physik, Chemie und den Materialwissenschaften. Besonders für die Produktion von immer stärker miniaturisierten Mikrochips und Mikrosensoren eröffnen sich durch das „Fluid force microscope“ neue Möglichkeiten. Über die hohle Messnadel könnte zum Beispiel eine hauchdünne Metallspur aufgetragen und so elektrische Schaltungen im Nanometer-Massstab aufgebaut werden.
Die beiden Doktoranden Michael Gabi und Pascal Behr aus Zambellis Team möchten das Gerät selbständig zur Marktreife weiterentwickeln. Bereits heute stehen zwei Prototypen des Gerätes in Zambellis Labor, die gemeinsam mit Biologen getestet werden.
(idw – Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich), 30.06.2009 – DLO)