Die Europäische Union hat sich nach schwierigen Verhandlungen auf ein Energie- und Klimapaket verständigt. Es sieht unter anderem vor, dass die europäischen CO2-Emissionen bis zum Jahre 2020 um 20 Prozent sinken müssen und der Anteil der erneuerbaren Energien um 20 Prozent steigt. Wenn die übrigen Industrieländer mitziehen, will die Gemeinschaft ihre Emissionen sogar um 30 Prozent verringern.
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Anders als noch vergangene Woche vom Bundestag bekräftigt, beinhaltet das Paket aber auch zahlreiche Ausnahmen vom kostenpflichtigen Erwerb von Emissionsrechten gerade für die besonders klimaschädlichen Kohlekraftwerke. Auch für das produzierende Gewerbe ist die Frist zur vollständigen Einbeziehung in den Emissionshandel bis 2025 verlängert. Zahlreiche Branchen bleiben davon gleich ganz ausgenommen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich in Brüssel zufrieden mit den Ergebnissen: „Damit werden wir unserer Vorreiterrolle gerecht.“ Dagegen äußerten Umweltschutzorganisationen wie der WWF massive Kritik an den Beschlüssen. Das vollmundig angekündigte EU-Energiepaket sei von den Regierungschefs der 27 Mitgliedsstaaten bis zur Bedeutungslosigkeit zerstückelt worden. „Heute ist ein schwarzer Tag für den europäischen Klimaschutz“, kommentierte Regine Günther, Leiterin Energie und Klima vom WWF Deutschland. „Die EU und allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigen damit, dass Europa nicht in der Lage ist, auf die drängenden Probleme des weltweiten Klimawandels adäquate politische Antworten zu finden.“
Schwarzer Tag für das Weltklima
Der Rat der Europäischen Union hat nach Angaben des WWF entscheidende Punkte für einen effektiven Schutz des Klimas gestrichen. Insbesondere die deutsche Bundesregierung hat das Herzstück des Energie- und Klimapaketes, den Emissionshandel, entscheidend geschwächt. Die Kanzlerin habe jegliche Versteigerung der Verschmutzungszertifikate für das produzierende Gewerbe verhindert. „Die größten Verschmutzer dürfen die Atmosphäre weiterhin kostenlos belasten. Dies ist ein fatales Signal an die europäische Industrie, die in den kommenden Jahren keine Anreize erhält, sich auf eine CO2-arme Zukunft vorzubereiten“, erklärte Günther.
Bei den Stromversorgern habe man sich auf intensiven Druck Deutschlands auf Investitionszuschüsse für neue Kraftwerke verständigt. Die Förderung erhalten aber nicht nur die höchst effizienten, sondern auch konventionelle Kraftwerke. Die Subventionierung milliardenschwerer Klimakiller, die über den Emissionshandel gigantische Zusatzprofite erwirtschaftet haben, sei besonders aberwitzig, so der WWF. Die EU habe es im Gegenzug versäumt, Entwicklungsländern verbindliche finanzielle Hilfen für die Anpassung an den Klimawandel und für Klimaschutzmaßnahmen zu geben. Ein solches Vorgehen seieine Bedrohung für den erfolgreichen Verlauf der internationalen Verhandlungen.
Klimaschutzziel nicht erreichbar
Für ein gravierendes Manko des Pakets hält der WWF darüber hinaus die vorgesehenen Regelungen zum Clean Development Mechanism (CDM / JI). Die EU-Mitgliedsstaaten und ihre Industrie können dadurch weit mehr als die Hälfte ihrer Emissionsverpflichtungen ins Ausland verschieben. Über den Zukauf von externen CO2-Zertifikaten finden Innovationen nicht mehr in Europa statt und echte Emissionsminderungen innerhalb der EU werden verhindert.
„Das Ziel der EU, die globale Temperaturerhöhung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, wird mit diesem Paket nicht erreicht. Die Europäische Union verschiebt anspruchsvollen Klimaschutz auf Zeiten, in denen dieser teurer und der Klimawandel weniger kalkulierbar wird“, so Günther.
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Gabriel begrüßte Ausbau der erneuerbaren Energien
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel begrüßte vor allem die Einigung in Brüssel zum Ausbau der erneuerbaren Energien. „Die Einigung ist auch ein wichtiges Signal für die internationale Klimaschutzpolitik. Die Europäische Union bekräftigt die ehrgeizigen Ausbauziele, die im vergangenen Jahr unter der deutschen Ratspräsidentschaft vereinbart wurden: Bis zum Jahr 2020 werden 20 Prozent des Endenergieverbrauchs in der Europäischen Union aus Erneuerbaren stammen. Neben der Steigerung der Energieeffizienz ist der massive Ausbau der erneuerbaren Energien das zweite Element unserer Doppelstrategie für den Klimaschutz“, so der Bundesumweltminister.
„Deutschland muss den Anteil der Erneuerbaren auf 18 Prozent steigern. Das ist ehrgeizig, aber mit den bereits verabschiedeten Instrumentarien zu schaffen. In die Richtlinie werden auch die von uns schon so lange geforderten Nachhaltigkeitskriterien für den Einsatz von Biomasse aufgenommen. Insgesamt haben wir uns in allen entscheidenden Punkten durchgesetzt und mit dafür gesorgt, dass Europa seiner Vorreiterrolle beim Ausbau der erneuerbaren Energien gerecht wird. Mit der Einigung gibt es stabile Rahmenbedingungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Europa – und damit die Chance für Hunderttausende neue Arbeitsplätze. Bereits heute arbeiten 250.000 Menschen in Deutschland im Bereich erneuerbare Energien“, sagte Gabriel.
Orientierung an der Wirtschaftskraft
Mit der neuen EU-Richtlinie zu Erneuerbaren Energien wird der Beschluss des Europäischen Rates vom März 2007 umgesetzt, den Anteil erneuerbarer Energie am EU-Endenergieverbrauch von 8,5 Prozent im Jahr 2005 bis zum Jahr 2020 auf 20 Prozent auszubauen. Dazu werden allen Mitgliedstaaten konkrete Ziele vorgegeben, die sich an der Ausgangslage, an den vorhandenen Potenzialen und an der Wirtschaftskraft orientieren. Die Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, mit nationalen Aktionsplänen gegenüber der Kommission darzustellen, wie die Ziele erreicht werden sollen.
Mit der neuen EU-Richtlinie soll zudem auch der Anteil an erneuerbaren Energien im Verkehrssek-tor auf zehn Prozent im Jahr 2020 gesteigert werden. Durch die Einbeziehung von Elektrofahrzeugen, die mit erneuerbarem Strom betrieben werden, wird die Entwicklung einer wichtigen Zukunftstechnologie angestoßen. Von deutscher Seite wurde allerdings bis zuletzt kritisiert, dass die Anrechnung von Biokraftstoffen auf das 10-Prozent-Ziel unabhängig von deren Beitrag zum Klimaschutz erfolgt.
(WWF/Germanwatch/Bundesregierung Online/BMU/Brot für die Welt, 15.12.2008 – DLO)