Der Klimawandel gefährdet die natürliche Vielfalt von Pflanzen und Tieren, die Biodiversität der Erde. Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) haben anlässlich der UN-Biodiversitätskonferenz, die heute in Bonn beginnt, darauf hingewiesen, dass Klima- und Artenschutz eng zusammenhängen.
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Die Klimarahmenkonvention umzusetzen ist notwendig, um viele Lebensräume und ihre Funktionen für den Menschen zu bewahren. Biodiversität zu schützen wird uns helfen, uns an den Klimawandel anzupassen, Klimafolgen abzumildern und Optionen für die Zukunft zu erhalten, so die PIK-Forscher.
Die Menschheit beansprucht weltweit zunehmend Lebensraum. Im Jahr 2000 hat sie rund ein Viertel der weltweiten Netto-Produktion von Biomasse geerntet, verbrannt oder ihr Wachstum durch die veränderte Landnutzung verhindert. Wo natürliche Vegetation Ackerland, Städten oder Straßen weichen musste, wie im dicht besiedelten Europa und nun in vielen Tropenwaldgebieten, und wo Gewässer intensiv genutzt werden, ist das Überleben vieler Arten gefährdet.
„Der Klimawandel wird diese Situation verschärfen, indem er die Verbreitungsgebiete vieler Pflanzen und Tiere weiter einschränkt und natürliche Prozesse in den Lebensräumen stört“, sagt Wolfgang Cramer, Leiter des PIK-Forschungsbereichs „Erdsystemanalyse“. Global sind vor allem arktische Lebensräume und Küstenökosysteme wie Korallenriffe und Mangrovenwälder bedroht. Neben „Hotspots“, meist tropischen Lebensräumen mit reicher Artenfülle, sind auch Kulturlandschaften als wertvolle Reservoirs der Biodiversität durch den Klimawandel gefährdet.
Klimawandel verändert Ökosysteme
Computersimulationen des PIK für den vierten Sachstandsbericht des UN-Klimarates IPCC zeigen, dass der Klimawandel fast alle Ökosysteme der Erde großräumig verändern wird. In weite Bereiche der baumlosen Tundra dringt Wald vor, während sich die Waldzone vom südlichen Rand her aufgrund zunehmender Trockenheit auflockert. In Mischwäldern nehmen Laubbäume gegenüber Nadelbäumen zu. Trockenheit verändert die Ökosysteme des südlichen Afrikas und könnte auch südamerikanische Regenwaldgebiete gefährden.
„Der Druck auf die Ökosysteme der Erde nimmt dramatische Ausmaße an, wenn nicht klug umgesteuert wird“, sagt Wolfgang Lucht, Leiter des PIK-Forschungsbereichs „Klimawirkung und Vulnerabilität“. Wenn die Ökosysteme durch die Landnutzung auf inselartige Schutzgebiete zurückgedrängt werden, können sie bei raschem Klimawandel nicht mehr „ausweichen“ und an anderer Stelle neu entstehen. „Auch daher ist es so wichtig, die globale Erwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen“, sagt Lucht.
Kälteliebende Arten verschwinden – auch in Deutschland
„In Deutschland sind die Auswirkungen des Klimawandels auf die Biodiversität bislang weniger dramatisch“, erklärt Katrin Vohland, die am PIK gemeinsam mit Cramer das Projekt „Biodiversität und Vulnerabilität von Ökosystemleistungen“ leitet. Dieses Projekt untersucht wie Klima- und Landnutzungswandel auf regionale Ökosysteme wirken und welche Handlungsoptionen zur Anpassung bestehen.
In einigen Regionen Deutschlands nimmt Trockenheit zu und gefährdet Feuchtgebiete. Zudem schwinden an kältere Bedingungen angepasste Arten, wie etwa alpine Pflanzen oder von der vergangenen Eiszeit übrig gebliebene Vorkommen einzelner Arten. Wärmeliebende Pflanzen und Tiere wie etwa Libellen und Schmetterlinge aus dem Mittelmeerraum wandern dagegen nordwärts, sodass die Artenzahlen in einigen Gebieten zunehmen. Schreitet der Klimawandel aber ungebremst fort, wird langfristig der Verlust von Biodiversität und ihren Funktionen überwiegen, da sich das Klima schneller verändern würde, als Arten ihr Verbreitungsgebiet anpassen könnten.
Landnutzung gefährdet Artenvielfalt
Die größte direkte Gefährdung der Biodiversität ist jedoch die Landnutzung durch den Menschen, so das PIK. Bei einem weiteren Bevölkerungswachstum um zwei Milliarden Menschen bis 2050 werden noch mehr Flächen beansprucht werden. Die Landwirtschaft wird zudem weiter intensiviert werden, um die Ernährung zu sichern. Die Nachfrage nach Agrargütern und Naturprodukten wird vor allem in den Zentren wirtschaftlichen Wachstums überproportional steigen.
„Unsere Berechnungen zeigen, dass die Landnutzung weltweit koordiniert werden muss, damit das Dreieck aus Naturschutz, Nahrungsmittelproduktion und künftigem Bioenergieanbau nicht instabil wird“, sagt Lucht. Marktmechanismen allein würden dafür nicht ausreichen. Die Computersimulationen zum verbleibenden Platz für Bioenergie-Plantagen zeigen, dass bei strengen Schutzmaßnahmen zehn bis fünfzehn Prozent des heutigen globalen Primärenergiebedarfs umweltverträglich aus Biomasse gewonnen werden könnten.
Die Organisationen der internationalen Staatengemeinschaft müssen deshalb nach Ansicht der PIK-Wissenschaftler entschlossen handeln, um den Klimawandel und den Verlust von Biodiversität zu begrenzen. Dies sollte auf der Basis erdsystemanalytischer Wissenschaft geschehen, die alle relevanten Faktoren im Zusammenhang betrachtet: Natur- und Umweltschutz, Demographie, Technologie, Ernährungssicherung, Energieproduktion und das Klima.
(Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), 19.05.2008 – DLO)