Im Saarland hat am Samstag um 16.30 Uhr (MEZ) die Erde gebebt. Nach Angaben von verschiedenen Erdbebenwarten besaß der Erdstoß eine Stärke zwischen 3,7 und 4,1 auf der Richterskala. Das Zentrum lag in der Nähe von Ensdorf im Landkreis Saarlouis in einer Tiefe von einem Kilometer unter der Erdoberfläche. Verletzte gab es nicht, das offenbar bergbaubedingte Beben sorgte aber für Stromausfälle und zahlreiche Schäden an Gebäuden. Auch eine Kirche in Saarwellingen wurde stark in Mitleidenschaft gezogen. Insgesamt gingen bei den zustädnigen Behörden hunderte von Schadensmeldungen ein.
Saarlands Ministerpräsident Peter Müller verhängte sofort nach Bekanntwerden des Kohle-Bebens einen unbefristeten Abbaustopp für das letzte saarländische Bergwerk. „Wir müssen davon ausgehen, dass der Abbaustopp dauerhaft bestehen bleibt“, so Müller am Montag in der taz. Die Erschütterung war bereits die 35 – allein in diesem Jahr.
Müller hatte angesichts der häufigen, massiven Erderschütterungen in den saarländischen Abbaugebieten bereits einen Tag vor dem aktuellen Beben Kritik an den Bergbauverantwortlichen der RAG Aktiengesellschaft / DSK Deutsche Steinkohle AG geübt: „Die Ereignisse sind aufgrund ihrer Zahl und Intensität den Betroffenen auf Dauer nicht zuzumuten. Sie gefährden zunehmend den sozialen Frieden in der betroffenen Region und sind auch deshalb unakzeptabel.“, so Müller. Der Ministerpräsident bekräftigte in diesem Zusammenhang seine Forderung nach einem Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau an der Saar deutlich vor 2014.
Betroffenheit bei der RAG
Große Betroffenheit hat die schwere Erderschütterung laut einer ersten Stellungnahme bei der RAG ausgelöst. Von Ereignissen in diesem Ausmaß konnte das Unternehmen nach allen Erfahrungen nicht ausgehen, erklärte die RAG in der Mitteilung. „Wir entschuldigen uns für alle Folgen, die diese Erderschütterung ausgelöst hat und werden alles tun, um vor Ort zu helfen“, so Bernd Tönjes, Vorstandsvorsitzender der RAG Aktiengesellschaft.
Das Unternehmen hatte nach dem von Müller verfügten Abbaustopp im Bergwerk Saar rund 3.500 Mitarbeiter bis auf Weiteres von ihrer Tätigkeit freigestellt. In Saarwellingen wurde darüberhinaus ein Schadenszentrum eingerichtet. Über den genauen Umfang und das Ausmaß der Schäden sind zurzeit noch keine konkreten Angaben möglich. Ein Team der RAG hat nach eigenen Angaben aber bereits akute Gefahrenpunkte gesichert, die weitere Schadensbearbeitung vor Ort aufgenommen und steht den Bürgern als Ansprechpartner zur Verfügung. Das Unternehmen versichert, alle entstanden Schäden schnell und unbürokratisch zu regulieren.
Die RAG will darüberhinaus mit allen Beteiligten kurzfristig über die weitere Vorgehensweise beraten und hierzu auch Gespräche mit der Landesregierung und den Behörden führen.
Keine Gefahr in NRW?
Wie die RAG weiter mitteilte, hat das Grubenbeben im Saarland keine Auswirkungen auf die Kohleförderung in Nordrhein-Westfalen. Dort sind bergbaubedingte Erderschütterungen mit einer Intensität wie am vergangenen Samstag laut der RAG noch nie aufgetreten und auch nicht zu erwarten. Grund sei die völlig unterschiedliche geologische Situation.
Im Saarland bestehe anders als in NRW oberhalb des Abbaus das Gebirge überwiegend aus festen Gesteinsschichten mit einem Sandsteinanteil von bis zu 70 Prozent. Dieser besonders hohe und harte Sandsteinanteil speichere aber mehr Spannungen als das weichere Gebirge im Ruhrgebiet und gebe sie anschließend frei.
Je nach Festigkeit oder Sprödigkeit kennzeichnet diese Schichten ein langsames oder schnelles Bruchverhalten. Besonders sprödes Verhalten zeigen die im Saarland häufig anzutreffenden mächtigen Sandsteinschichten, so die RAG weiter. Diese Schichten biegen sich ohne weitere Folgen zunächst nur bis zu einem gewissen Maß. Werden sie dann weiter beansprucht, brechen sie plötzlich und verursachen damit die Erderschütterungen. Die Schallwelle durchläuft das Gebirge, trifft auf die Tagesoberfläche und erzeugt Schwingungen im Untergrund.
Hoher Gebirgsdruck
Verstärkend kommt im Saarland nach Angaben der RAG der hohe Gebirgsdruck durch die Abbautiefe von rund 1.400 Meter, die Mächtigkeit der Flöze sowie der im Vergleich zur Ruhr nur in einem Flöz durchgeführte Abbau in der Primsmulde hinzu. Sandsteinhaltige Schichten gebe es im Ruhrgebiet zwar auch, sie seien aber weniger mächtig als an der Saar. Zudem existiere dort ein dämpfendes Deckgebirge.
Sämtliche Faktoren zusammen – Zusammensetzung des Gebirges, Gebirgsdruck und Mächtigkeit der Flöze – führen laut RAG dazu, dass die bergbaubedingten Erderschütterungen an der Ruhr eine deutlich geringere Intensität als an der Saar haben.
Kohleförderung Raubbau an der Natur?
Kritische Worte zum Kohlebergbau im Saarland fand Thomas Wels in einem Kommentar in der WAZ. „Ein Beben der Stärke 4,0, hunderte von Schadensmeldungen und die sofortige Aussetzung des Bergbaus im Saarland: Einmal mehr wurde am Wochenende deutlich, dass es sich beim deutschen Steinkohlebergbau auch um einen Raubbau an der Natur handelt. 35 Erschütterungen allein in diesem Jahr – es war nur eine Frage der Zeit, bis der saarländische CDU-Regierungschef Peter Müller mit einem Abbaustopp reagieren musste.“
Und weiter heißt es in der WAZ: „Das Beben in Ensdorf bleibt gewiss nicht ohne Folgen auf die Debatte über die Schließungstermine der Zechen im Ruhrgebiet. Nach internen Überlegungen der RAG stand die Zeche Ensdorf erst Ende 2014 zur Schließung an. Der Plan lässt sich jetzt nicht mehr halten, was wiederum Einfluss auf das Auslaufen der Bergwerke West in Kamp-Lintfort und Ost in Hamm haben könnte. Diese Zechen sollten wohl Ende 2012 und Ende 2009 schließen. Die RAG muss jetzt die Unsicherheiten von Bergleuten, Bergbau-Betroffenen und den Stadtentwicklern nehmen und öffentlich machen, wie sie sich die Umsetzung des Auslaufbeschlusses bis 2018 vorstellt.“
(Land Saarland, RAG, WAZ, 26.02.2008 – DLO)