Astronomie

Kosmische Explosion als Sternenschleuder

Schwarze Löcher nicht einziger Ausgangsort für so genannte Hyperschnellläufer

Der junge Stern, jetzt im galaktischen Halo, wurde vom äußeren Rand der galaktischen Scheibe geschleudert und nicht, wie man erwartet hatte, aus dem galaktischen Zentrum (schematische Außenansicht der Milchstraße). © MPA und ESO

Der gewaltigen Anziehungskraft einer Galaxis kann ein Stern normalerweise nicht entkommen. Umso überraschender war 2005 die Entdeckung von so genannten Hyperschnellläufern. Nur das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße schien als Energielieferant dafür in Frage zu kommen. Denn Schwarze Löcher können nicht nur Materie unwiderruflich an sich binden, sondern auch stark von sich weg schleudern. Nun haben Astronomen am Rand der Milchstraße ein Objekt entdeckt, für das diese Annahme nicht zutrifft.

Der Stern, der unaufhaltsam auf den intergalaktischen Raum zusteuert, ist stattdessen der verbliebene Partner eines Doppelsternsystems, das durch eine Explosion zerrissen wurde, so die Forscher.

Ungewöhnlicher Hyperschnellläufer

Der Stern war dem Forscherteam um Professor Ulrich Heber, Norbert Przybilla (beide Universität Erlangen-Nürnberg) und Fernanda Nieva (Max-Planck-Institut für Astrophysik) bei der Analyse von Daten des 2,2 Meter Teleskops der Europäischen Südsternwarte (ESO) aufgefallen. HD 271791 ist elfmal so schwer wie die Sonne und rast mit 2,2 Millionen Kilometer pro Stunde durchs All. Das reiht ihn unter die Hyperschnellläufer ein.

Aber dieser Stern ist anders als seine superschnellen Kameraden. Die Berechnung seiner Flugbahn zeigte, dass das vier Millionen Sonnenmassen schwere Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße nicht sein Ausgangsort gewesen sein kann. „Ganz im Gegenteil“, erläutert Heber, „der Stern muss aus den äußeren Regionen der galaktischen Scheibe stammen, wo es überhaupt keine massereichen Schwarzen Löcher gibt.“

Genauere Hinweise auf den Ursprung ergaben sich schließlich durch Einsatz einer neuen Analysetechnik, die die chemischen Elemente auf der Oberfläche des Sterns präzise bestimmt. Die Zusammensetzung weicht von der normaler Sterne ab. Im Übermaß kommen Elemente vor, die in Supernovae erzeugt werden, wie etwa Silizium. Die Oberfläche des Sterns wurde nach den Erkenntnissen der Forscher also durch Material verunreinigt, das eine Supernova-Explosion in seiner Nähe ausgeschleudert hat.

Enge Umlaufbahn

Das Wissenschaftlerteam folgert daher, dass HD 271791 ursprünglich einen noch massereicheren Begleiter hatte, der schon nach wenigen Millionen Jahren seines Lebens explodierte. Sein Partner wurde dabei ins Weltall hinaus katapultiert und flog mit Umlaufgeschwindigkeit geradeaus weiter. Ein derartiger Vorgang wäre ähnlich leistungsfähig wie eine Schwarze-Loch-Schleuder.

Bisher haben Experten ein solches Szenario für die Entstehung von Hyperschnellläufern jedoch ausgeschlossen. Die Umlaufbahn muss nämlich für eine so extrem hohe Geschwindigkeit sehr eng sein. Der ursprüngliche Begleiter durfte also nur wenige Sonnenradien groß sein, bevor er explodierte. Da besonders massereiche Sterne sich vor der Explosion in eine kompaktere Variante verwandeln können, hat die Forschergruppe ein Modell vorgeschlagen, in dem HD 271791 ursprünglich um einen Stern von mindestens 55-facher Sonnenmasse kreiste.

Spektakulärer Ausbruch von Energie

Unmittelbar vor dem Kollaps dieses Sterns betrug die Umlaufperiode nur noch einen Tag. Die Explosion – ein außergewöhnlich spektakulärer Ausbruch von Energie, wie Heber anmerkt – ließ den schwereren Partner des Doppelsternsystems zu einem Schwarzen Loch schrumpfen und setzte den anderen frei, dessen vorige Umlaufgeschwindigkeit nun genügte, um die Galaxis zu verlassen.

Im Herbst 2005 hatten Heber und seine Mitarbeiter bereits die Entdeckung eines anderen superschnellen Sterns bekanntgegeben. Damals blieb unklar, ob das Himmelsobjekt aus dem Zentrum der Milchstraße oder – was ebenfalls überraschend gewesen wäre – aus der Großen Magellanschen Wolke, unserer Nachbargalaxie, stammte.

(idw – Universität Erlangen-Nürnberg, 04.03.2009 – DLO)

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