Die Rheintemperatur an der deutsch-niederländischen Grenze liegt mittlerweile drei Grad über dem natürlichen Niveau. Zwei Grad resultieren aus den Abwärmeeinleitungen vor allem aus Kraftwerken entlang des Rheins und seiner Nebenflüsse, ein Grad ist bereits auf den Klimawandel zurückzuführen. Dies sind die Ergebnisse einer neuen Studie des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Danach ist der Flussabschnitt zwischen Worms und Mainz der mit den höchsten Wassertemperaturen.
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„Die Abwärme aller in Deutschland betriebenen Kraftwerke würde ausreichen, um sämtliche Gebäude in der Bundesrepublik zu heizen! Die gigantische Wärmelast, die dem Rhein zugemutet wird, ist Ausdruck einer völlig ineffizienten Stromproduktion in Kohle- und Atomkraftwerken“, sagt Jörg Nitsch vom Landesvorstand des BUND Hessen.
Seit 1971 gab es keine Aktualisierung eines amtlichen Wärmelastplanes für den Rhein mehr. Mit seiner Abwärmestudie legt der BUND jetzt erstmals wieder aus bisher nur verstreuten amtlichen Angaben ein Abwärmekataster für das internationale Rheineinzugsgebiet vor.
Atomreaktoren als Heizung
Die Studie wurde von den im Rheineinzugsgebiet liegenden BUND-Landesverbänden in Auftrag gegeben und von Jörg Lange (Freiburg) bearbeitet. Sie gibt Antworten auf folgende Fragen: Wer leitet wo, wie viel Abwärme in den Rhein und seine Nebenflüsse ein? Welche Energiekonzerne müssen sich künftig ankreiden lassen, das Lachswiederansiedlungsprogramm zu gefährden?
Die Abwärmeeinleitungen aus Kraftwerken, Industriebetrieben und Kläranlagen betragen laut dem Report im Rheineinzugsgebiet mehrere 10.000 Megawatt (MW). Zum Vergleich: Die elektrische Leistung der beiden Atomreaktoren in Biblis liegt bei jeweils 1.200 MW. Absolute Spitzenreiter sind die beiden Atomreaktoren der Electricite de France im elsässischen Fessenheim. Sie besitzen keine Kühltürme und heizen allein mit annähernd 4.000 MW das Wasser des Rheinseitenkanals um mehr als 2°C auf.
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BUND fordert Maßnahmen zur Reduzierung des Wärmeeintrags
„Die in der deutschen Umweltpolitik bereits in den 1980er Jahren diskutierte Abwärmeabgabe muss in Berlin und Brüssel wieder auf die politische Agenda gesetzt werden: In Zeiten eines sich rasant beschleunigenden Klimawandels müssen die Abwärmeeinleiter auch über den ökonomischen Hebel gezwungen werden, ihre thermischen Zumutungen gegenüber der Rheinökologie zu vermindern“, sagt Heinz Schlapkohl, stellvertretender Landesvorsitzender des BUND Rheinland-Pfalz.
Nitsch ergänzt: „Sowohl wegen der Kohlendioxid-Einträge in die Atmosphäre, als auch wegen der Wärmeeinträge in die Flüsse ist der Bau der Kohlekraftwerke in Mainz und in Hanau (Staudinger) unverantwortlich. Das Programm zur Wiederansiedlung des Lachses im Rheineinzugsgebiet muss durch Maßnahmen zur Reduzierung des Wärmeeintrags flankiert werden. Es darf nicht das Gegenteil geschehen.“
Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie in Frage gestellt?
Lachse, die im Sommer den Rhein aufwärts wandern, so genannte Jakobslachse, stellen bei 25 Grad Rheinwassertemperatur ihre Wanderung ein (thermische Barriere). Die Temperaturen im Rhein erreichen aber inzwischen bis zu 28 Grad.
„Mit dem Temperaturanstieg im Rhein und seinen Nebenflüssen (insbesondere Neckar, Untermain, Wupper, Saar, Lippe) steht auch die Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie in Frage“, warnt Schlapkohl. Sie schreibt vor, dass in den europäischen Flüssen der „gute ökologische Zustand“ bis zum Jahr 2015 – mit Verlängerungsmöglichkeiten bis 2021 bzw. 2027 – erreicht werden muss.
Auswirkungen des Klimawandels untersucht
Der von der EU geforderte Zustand drückt sich vor allem durch eine intakte Fischfauna aus. Die thermische Barrierewirkung der Abwärmeeinleitungen lässt diesbezüglich aber eine Zielverfehlung erwarten, so der BUND. Gleichwohl wurden notwendige Maßnahmen zur Verminderung der Abwärmelast im aktuellen Bewirtschaftungsplan bisher nicht festgelegt und unbestimmte Zeit verschoben. Dort heißt es lediglich: „In gewissen Situationen ist die Temperatur ein kritischer Parameter.“
Derzeit laufen Studien zu den Auswirkungen des Klimawandels auf Abfluss und Temperatur des Rheins. In Erwartung dieser Studienergebnisse sollen eventuelle zusätzliche Maßnahmen erst in den zweiten Bewirtschaftungsplan für die Flussgebietseinheit aufgenommen werden, d.h. die Temperaturproblematik wird in der weiteren Arbeit berücksichtigt.
Immer mehr Kohlekraftwerke?
Die „Leitstudie 2008“ des Bundesministeriums für Umwelt (BMU) geht von einer Reduktion von insgesamt 36 Prozent der deutschen CO2-Emissionen aus. Um dies einzuhalten, dürfen in Deutschland nur Kohlekraftwerke mit einer elektrischen Leistung von insgesamt neun Gigawatt (GW) gebaut werden. Dies steht im krassen Widerspruch zu den Investitionen und Planungen der Stromproduzenten.
Bereits jetzt sind allein am Rhein seit 2005 Kohlekraftwerke mit einer elektrischen Leistung von über acht GW im Bau oder genehmigt und Deutschlandweit sind bis 2018 bereits insgesamt 28,6 GW im Bau oder geplant. Der BUND wertet dies so, dass die großen Stromkonzerne nach wie vor von erheblichen Wachstumsraten ausgehen und wenig Interesse an Klimaschutz haben.
Vom Energiesparen und von einer Energieeffizienzrevolution sowie von einer Umstellung der atomar-fossilen Stromproduktion auf dezentrale Blockheizkraftwerke würden nicht nur der Klimaschutz sowie die heimischen Arbeitsplätze, sondern auch Lachs & Co. profitieren. Der BUND fordert deshalb statt dem Bau zentraler Kraftwerke unter anderem den Bau von dezentralen Blockheizkraftwerken zur Versorgung von Gebäuden mit Strom und Wärme.
(BUND Hessen / BUND Rheinland-Pfalz, 01.07.2009 – DLO)