Mit ultrakurzen Lichtpulsen erzeugen Forscher am Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik exotische Materiezustände.
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„Wir simulieren auf allerkleinstem Raum Verhältnisse, wie sie im Inneren einer Sonne herrschen“, so umschreibt Matthias Schnürer vom Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie seine Arbeit. Diese Versuche sind Teil eines neuen Sonderforschungsbereiches, den die DFG kürzlich bewilligt hat. Der Sonderforschungsbereich/Transregio heißt Relativistische Laser-Plasma-Dynamik.
Warum relativistisch? Licht ist ein elektromagnetisches Wechselfeld, das geladene Teilchen, also auch Elektronen, beschleunigen kann. Unser Laserlicht ist so stark, dass Elektronen in diesem Feld selbst bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden und das, obwohl sie in einer Millionstel Sekunde hundert Millionen mal ihre Bewegungsrichtung umkehren, eine schwindelerregende Karussellfahrt. Eine solche Bewegung kann nur noch mit Einsteins Relativitätstheorie beschrieben werden, erläutert der Berliner Forscher Matthias Schnürer, daher nennen wir sie relativistisch. Selbst wenn Elektronen extrem leicht sind und daher leicht beschleunigt werden können, benötigt man für relativistische Bewegungen enorme Lichtleistungen.
Lichtleistungen von vielen Milliarden Kilowatt
Zurzeit erzeugen die Wissenschaftler in dem Höchstleistungs-Laserlabor des MBIkurzfristig Lichtleistungen von vielen Milliarden Kilowatt. Zum Vergleich: Das Blitzlicht eines Fotoapparats setzt kurzfristig tausend Watt frei, also ein Kilowatt. Ein Kilo Sprengstoff (TNT) liegt bei einer Million Watt, das ist ein Megawatt. Ein Blitz bei einem Gewitter kommt immerhin schon auf eine Billion Watt (zehn hoch zwölf oder ein Terawatt, eine Milliarde Kilowatt). Der Hochleistungslaser am MBI schafft derzeit 25 Terawatt, 100 Terawatt sind demnächst vorgesehen. Anders ausgedrückt: Die MBI-Forscher setzen kurzfristig mehr Lichtleistung frei als alle Kraftwerke der Welt im Dauerbetrieb erzeugen. Und sie können dennoch die Stromrechnung bezahlen. Denn diese immense Energiedichte dauert nur extrem kurz.
Die Zeitskala ist dabei ebenso unvorstellbar klein wie die Leistungsskala groß:Unsere Pulse dauern etwa dreißig Femtosekunden, sagt Schnürer. Eine Femtosekunde ist der milliardste Teil einer Millionstelsekunde. Außerdem ist die Fläche sehr klein, die bestrahlt wird. Wir fokussieren den Strahl auf wenige Mikrometer Durchmesser, sagt Schnürer, also wenige tausendstel Millimeter.
Plasma mit extrem schnellen Teilchen
In diesem Kosmos von wenigen Kubikmikrometern Raum entsteht dann ein Plasma mit extrem schnellen Teilchen. Schnürer: „Wichtige Fragen für uns sind: Wie wird Energie in solch relativistischen Plasmen transportiert? Wie funktioniert überhaupt so ein Plasma?“ Um das herauszufinden, bedienen sich die Forscher eines Kniffs. Sie nutzen Eigenschaften des relativistischen Plasmas, um das Plasma selbst zu untersuchen. Der exotische Materiezustand führt nämlich dazu, dass nicht nur Elektronen, sondern auf Umwegen auch die viel schwereren Protonen beschleunigt werden ein Protonenstrahl entsteht. Diese positiv geladenen Bestandteile eines Atomkerns, die in einem lasererzeugten Plasma entstehen, werden durch ein zweites, benachbartes Plasma geschossen und darin abgelenkt.
„Wir untersuchen diese Ablenkung“, berichtet Schnürer, „und gewinnen daraus wichtige Erkenntnisse über die Vorgänge im Inneren des Plasmas. Es ist wie ein kleines kosmisches Labor, in dem Energieflüsse simuliert und sogar gemessen werden können, die in Sternen eine Rolle spielen. Allerdings braucht man dazu zwei getrennte Plasmen.“ Am MBI werden sie mit Hilfe zweier verschiedener Höchstleistungslaser erzeugt, die innerhalb von Bruchteilen von milliardstel Sekunden gleichzeitig feuern eine Spezialität, die in Deutschland und Europa einmalig ist und die das MBI zu einem begehrten Kooperationspartner für solche Experimente macht.
Anwendungsnahe Aspekte
Neben solch grundlegenden Fragen gibt es jedoch auch anwendungsnahe Aspekte. Denn der erzeugte Protonenpuls kann auch zur Strukturuntersuchung von ganz normaler Materie, Festkörper oder gar biologische Moleküle, genutzt werden. Zwar ist seine Pulsdauer weit kürzer als die Pulsdauer von Protonenstrahlen aus großen Teilchenbeschleunigern und Forschungsreaktoren, doch dafür ist der Strahl viel dichter. Außerdem braucht man keine dieser Megamaschinen, um den Protonenstrahl zu erzeugen. Die Laseranlage im MBI ist zwar beeindruckend groß, doch die kurzen Lichtpulse lassen sich im Prinzip auf zwei großen Labortischen erzeugen. So könnte es bei fortschreitender Miniaturisierung analog zum Tisch-Computer demnächst auch einen Tisch-Beschleuniger geben.
(idw – Forschungsverbund Berlin, 07.07.2004 – DLO)