Wissenschaftler haben eine Entdeckung gemacht, die die Entwicklung von miniaturisierten Instrumenten und Nanomaterialien entscheidend voranbringen könnte. Sie stießen, völlig unerwartet, auf ein „lebendes Halsband“ aus Mikrotubuli in Zellkulturen.
Die Wissenschaftler um Cyrus Safinya, Professor für Physik und Materialwissenschaften und Leslie Wilson, Professor für Biochemie an der Universität von Kalifornien in Santa Barbara untersuchten Mikrotubuli aus dem Hirngewebe von Rindern, um die Mechanismen ihrer Entstehung und ihrer Form zu verstehen. Mikrotubuli sind nur nanometergroße, hohle Röhrchen, die einen Bestandteil des Zellskeletts bilden.
Im Organismus sind Mikrotubuli und die aus ihnen zusammengesetzten Strukturen wichtige Komponenten einer breiten Palette von Zellfunktionen – von der Wegbereitung für Transporte bis hin zur Bildung des Spindelapparates bei der Zellteilung. Ihre Funktionen beinhalten auch den Transport von Neurotransmittern in Neuronen. Doch der Mechanismus, durch den sie gebildet werden, war bisher kaum verstanden.
Jetzt haben die Wissenschaftler einen neuen Typ der Anordnung dieser Tubuli entdeckt. Positiv geladene, große lineare Moleküle resultierten im Versuch zunächst wie erwartetet in eng gepackten hexagonalen Bündeln von Mikrotubuli. Doch überraschenderweise stellten die Wissenschaftler fest, dass kleinere, sphärische Kationen die Mikrotubuli dazu brachten, sich zu “Halsbändern” zusammen zu lagern. Sie bildeten deutliche lineare, verzweigte und schleifenförmige Ketten.
Nach Ansicht von Safinya und Needleman bilden diese lebenden Halsbänder aus Sicht der theoretischen Physik die ersten experimentelle Realisation eines neuen Membrantyps, bei dem die langen Mikrotubulimoleküle in die gleiche Richtung zeigen, sich aber innerhalb der lebenden Membran bewegen können. Dadurch sei das Mikrotubulibündel extrem dynamisch und könne bei thermischen Fluktuationen seine Form ändern.
Die Wissenschaftler sehen sowohl für das Mikrotubulibündel als auch für das “Halsband” neue Anwendungen. So könnte beispielsweise eine Metallisation der Halsbänder Nanomaterialien mit kontrollierten optischen Eigenschaften erzeugen. Die Mikrotubuli könnten auch als Wirkstofffähren eingesetzt werden, bei denen jedes Röhrchen eine bestimmte Chemikalie enthält. Je nach Anordnung der Tubuli würden diese Transportvehikel ihre Fracht schneller oder langsamer ausschütten.
(University Of California, Santa Barbara, 16.11.2004 – NPO)