Physik

LHC: Erste Rekord-Kollisionen von Bleikernen

Zusammenprall schwerer Ionen erreicht bisher auf der Erde nie erreichte Energien

Bleikernen im CMS-Detektor des LHC © CERN/ CMS

Vier Billionen Grad auf kleinstem Raum: Am Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC) des CERN haben Physiker Bleikerne mit zuvor unerreichter Energie aufeinander geschossen. Die Kollision erzeugte für Sekundenbruchteile einen Zustand extremer Hitze und Energie, wie er kurz nach dem Urknall herrschte. Dieses Quark-Gluon-Plasma enthält nicht nur neue Teilchen, es liefert auch wertvolle Aufschlüsse über die Kräfte, die die Grundbausteine der Materie prägen.

Zurück zum Urknall: Am LHC und anderen Teilchenbeschleunigern lässt sich für kurze Zeit die Uhr des Kosmos zurückdrehen. Denn bei Kollisionen schwerer Ionen wird so viel Energie frei, dass daraus für Sekundenbruchteile ein Quark-Gluonen-Plasma entsteht – der seltsam superfluide Materiezustand, der kurz nach dem Urknall herrschte. Doch bisher ließ sich dieses Quark-Gluon-Plasma nur für extrem kurze Zeit und in kleinsten Volumen erzeugen – die Energie reichte nicht für mehr.

Das hat sich mit der zweiten Laufzeit des LHC geändert. Denn der Beschleuniger kann nun Bleikerne mit der gewaltigen Energie von 1.000 Teraelektronenvolt (TeV) aufeinander schießen – das ist doppelt so viel wie in bisherigen Teilchenbeschleunigern möglich. „Die Energiedichte dabei ist enorm und wurde auf der Erde so noch nie erreicht“, erklärt Jens Jørgen Gaardhøje von der Universität Kopenhagen und Physiker am ALICE-Detektor des LHC. Die ersten Kollisionen mit dieser Rekordenergie gelangen den LHC-Physikern am Vormittag des 25. November 2015.

Kollision von Bleikernen im ALICE-Detektor des LHC © CERN/ALICE

30.000 neue Teilchen

Die kollidierenden Bleikerne heizten ihre Umgebung für kurze Zeit auf mehr als vier Billionen Grad auf. Dieser Energiestoß erzeugte ein Quark-Gluonen-Plasma und gleichzeitig Unmengen neuer Teilchen – denn nach Einsteins Formel E=mc² lässt sich Energie in Masse umwandeln. „Auch wenn die vollständigen Analysen noch nicht erfolgt sind, zeigen die ersten Kollisionen bereits, dass bei jeder frontalen Kollision zweier Blei-Ionen mehr als 30.000 Teilchen erzeugt werden“, sagt Gaardhøje.

Die bei den Kollisionen auf winzigem Raum erzeugte Energie ist dabei enorm: „Das entspricht einer bisher unerreichten Energiedichte von rund 20 Gigaelektronenvolt pro Kubikfemtometer“, so der Physiker. „Das ist mehr als 40-fach so viel wie die Energiedichte eines Protons.“ Zum Vergleich: Ein Femtometer entspricht einem Billiardstel Meter. Die Forscher hoffen, dass durch diese Energie auch bisher unbekannte schwere Teilchen erzeugt werden könnten.

Bleikollisionen bis zum Jahresende

Noch bis zum Ende des Jahres wird der LHC Bleikerne statt wie sonst Protonen in seinem Ring beschleunigen und aufeinanderprallen lassen. „Es ist Tradition, in jedem Jahr einen Monat lang Ionen als Teil unserer Forschungsprogramme zu kollidieren“, erklärt CERN-Generaldirektor Rolf Heuer. „Dieses Jahr ist es allerdings etwas Besonderes, weil wir neue Energien erreichen und damit Materie in einem noch früheren Stadium unseres Universums erforschen können.“

Weil dank der höheren Kollisionsenergie das Quark-Gluon-Plasma heißer ist und auch ein wenig länger anhält, werden sich seine Eigenschaften besser erforschen lassen. Den Physiker gibt dies die Chance, mehr über diesen rätselhaften Materiezustand herauszufinden, der noch vor der Bildung der ersten Atomkerne und Atome existierte.

(CERN, 26.11.2015 – NPO)

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