Die Systeme der Natur sind flexibel: Fällt eine Komponente aus, übernimmt oft eine andere ihre Funktion. In der Technik hapert es mit dieser Anpassungsfähigkeit noch. Dresdener Forscher wollen dies jetzt ändern. Sie haben die ersten selbstorganisierenden Elektronik-Komponenten entwickelt, die als autonome Einheiten die Basis auch für komplexe technische Systeme der Zukunft darstellen könnten.
Organismen sind nach dem Baukastenprinzip aufgebaut. Sterben einzelne Zellen ab, funktioniert der Organismus weiter. Denn die Zellen stehen zwar in Wechselwirkung mit den Nachbarzellen, jede einzelne Zelle ist jedoch hinsichtlich ihrer Funktion autonom. Notfalls können sogar andere Zellen einspringen und eine Ersatzfunktion übernehmen. Mit großem Erstaunen beobachten Ingenieure, wie sich scheinbar mühelos natürliche Systeme an neue Begebenheiten anpassen. Diese speziellen Eigenschaften natürlicher Systeme haben alle eines gemeinsam: Sie finden aus sich selbst heraus statt. Es gibt keine zentrale Instanz, die sie dazu anleitet.
Genau hier setzt die Forschungsarbeit der Wissenschaftler um Professor Peter Hofmann am Competence Center Elektrik/Elektronik-Architektur der TU Dresden an. Ihr Ziel ist es, technische Systeme zu entwickeln, die selbstorganisierende Eigenschaften aufweisen und Lösungskonzepte zu erarbeiten, wie derartige Systeme praktisch angewendet werden können.
„Organic Computing“ heißt der Fachbegriff dafür, wenn die Natur der Technik zum Vorbild wird. Für die konkrete Umsetzung heißt dies, dass nicht von vornherein die Kommunikation eines bestimmten Elementes mit einer bestimmten Steuerung festgelegt wird, sondern die Steuerung kann auf Impulse verschiedener Elemente reagieren. Fällt also ein Steuerungsteil aus, kann eine andere Steuerung ein neues Element mit aufnehmen und seine Funktion übernehmen. Demzufolge wäre es möglich, beim Ausfall des Schalters für den elektrischen Fensterheber nach einer Rekonfiguration die Scheibe mit einem beliebigen anderen Schalter zu öffnen, da dieser Knopf eine neue Funktion dazu gelernt hat.
„August 1“ heißt der einem Automobil nachempfundene Versuchsträger, auf dem die Funktionsweise von dezentralen elektronischen Systemen aktuell erprobt wird. Die Wissenschaftler um Hofmann wollen herausfinden, wie die einzelnen Steuergeräte sich autonom – also unabhängig von anderen Systemen organisieren lassen. Das hat den Vorteil, dass beispielsweise jedes Rad einzeln gesteuert und angetrieben werden kann.
Sie hoffen, die Elektronik in Autos mit dieser dezentralen Funktionsweise dadurch noch zuverlässiger zu machen. Außerdem sind dezentral organisierte Systeme sehr stabil und in der Lage sich an Veränderungen durch die Außenwelt dynamisch anzupassen. In der Technik wird dieses Prinzip bisher nur in vereinfachter Form bei Computern angewendet. An einen USB-Anschluss können beispielsweise verschiedene externe Geräte angeschlossen werden, die der Computer selbständig erkennt, akzeptiert und integriert.
(TU Dresden, 29.11.2005 – NPO)