Unscheinbare Risse: Nach mehreren Ladezyklen entstehen in Lithiumbatterien Verformungen und Defekte, die die Batterieleistung beeinflussen. Forscher haben nun sichtbar gemacht, an welchen Stellen der Batterie Schäden in der Mikrostruktur auftreten. Dabei nutzen sie ein Verfahren, dass eigentlich zum virtuellen Entrollen von Papyrus gedacht ist. Die Ergebnisse können dabei helfen, dass Design gerollter Batterien zu verbessern.
Als der Chemie-Nobelpreis 2019 an die Väter der Lithiumionen-Batterie ging, wurde gewürdigt, wie sehr diese Stromspeicher unsere Alltagselektronik in Form von Smartphones, Laptop-Akkus oder Elektrorollern bestimmen. Lithium-Ionen-Akkus haben hohe Speicherdichten, allerdings können sie überhitzen und sogar explodieren. Zudem verlieren sie im Laufe der Zeit ihre Ladekapazität. Ähnliches gilt auch für nicht wiederaufladbare Lithium-Batterien, die beispielsweise als Knopfzellen eingesetzt werden. Auch sie verlieren mit zunehmendem Alter an Leistung.
Ein internationales Forscherteam um Ralf Ziesche vom University College London hat nun mit Neutronen- und Röntgentomografie untersucht, welche Prozesse zum Leistungsabbau der kompakten Lithium-Batterien beitragen. Um hohe Speicherkapazitäten und ein schnelles Laden der Batterie zu ermöglichen, sind große Elektrodenflächen notwendig, wie die Forscher erklären. Dies wird in der Regel erreicht, indem die Elektroden als dünne Schichten im Inneren der Batterie umeinander gewickelt werden.
Blick aufs Lithium mit Neutronen
Mit Hilfe der Röntgentomografie analysierte das Team zunächst die Mikrostruktur der Elektroden und beobachtete, welche mechanischen Verformungen und Risse während des Ladens und Entladens entstehen. Nach Aussage der Forscher ist der Kontrast von leichten Elementen wie Lithium in der Röntgentomografie jedoch nicht besonders ausgeprägt, sodass andere Techniken nötig waren, um die genaue Verteilung des Lithiums bei diesen Vorgängen zu beobachten.
„Die Neutronen-Tomografie ermöglichte dagegen, die Wanderung der Lithium-Ionen direkt zu beobachten und auch festzustellen, wie sich die Verteilung des Elektrolyten in der Batteriezelle mit der Zeit verändert“, erklärt Ziesches Kollege Ingo Manke vom Helmholtz-Zentrum Berlin. Die Daten, die für diese Analysen notwendig waren, konnte das Team an der Neutronenquelle am Helmholtz-Zentrum Berlin und in Grenoble gewinnen.
Gleicher Algorithmus für Papyrus und Batterien
Um jedoch aus den Tomografie-Daten ein klares Bild zu gewinnen, musste das Team die ineinandergewickelten Elektroden der Batterie zuerst virtuell „entrollen“. Dazu nutzen die Forscher einen neu entwickelten Algorithmus, der ursprünglich für etwas völlig anderes gedacht war:
„Der Algorithmus war ursprünglich mal zum virtuellen Entrollen von Papyrus-Rollen gedacht. Aber er lässt sich eben auch einsetzen, um herauszufinden, was genau in kompakten Batterien abläuft.“, erklärt Manke. „Wir haben diesen Algorithmus hier erstmals auf eine typische kommerziell erhältliche Lithium-Batterie angewendet und in mehreren Rückkopplungsschritten weiter optimiert“, sagt Mankes Kollege Tobias Arlt.
Zahlreiche Risse im 3D-Bild
Die Kombination dieser Methoden ermöglichte es den Forschern erstmals, die typischen Alterungserscheinungen der Batterien in dreidimensionalen Schnittbildern sichtbar zu machen. Sie zeigten unter anderem, dass die inneren Schichten eine ganz andere elektrochemische Aktivität als die äußeren Windungen besitzen. Auch die oberen und unteren Schichten der Batterien verhielten sich verschieden.
Die Analyse mittels Neutronentomografie zeigte auch Abschnitte, in den sehr viel weniger Elektrolyt vorhanden war. Dies schränkte die Leistung des entsprechenden Abschnitts stark ein. Die Anode wurde auch nicht überall gleich gut mit Lithium be- und entladen, wie die Forscher berichten. Lithium schied sich teilweise in den Schichten des Kathodenmaterials aus Manganoxid (MnO2) ab, was die Ladefähigkeit der Batterie enorm beeinträchtigte.
Laut den Forschern können ihre Ergebnisse und die von ihnen entwickelte Methode dazu diesen, das Design von zukünftigen Speichern zu verbessern. „Wir haben mit dem entwickelten Verfahren ein einzigartiges Werkzeug, um in eine laufende Batterie hineinzuschauen und zu analysieren, wo und warum es zu Leistungsverlusten kommt. Daraus lassen sich spezifische Hinweise ableiten, um das Design von gerollten Batterien zu verbessern“, sagt Manke. (Nature Communications, 2020, doi: 10.1038/s41467-019-13943-3)
Quelle: Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie