Keine Schaumschläger: Spezielle Oberflächen können die Schaumbildung bei bestimmten Flüssigkeiten schon bei der Entstehung verhindern. Außerdem helfen sie dabei, bereits bestehenden Schaum schneller zu reduzieren, wie Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten. Sie haben solche abweisenden Beschichtungen entwickelt und bei Bier- und Seifenschaum getestet. In Zukunft könnten die superamphiphoben Oberflächen bei industriellen Abfüllanlagen zum Einsatz kommen.
Je nach Situation kann die Schaumbildung von Flüssigkeiten erwünscht oder hinderlich sein. Wenn ein frisches Glas Bier gezapft wird, will man eher langanhaltenden Schaum. Bei der industriellen Bierabfüllung sollte Schaum jedoch vermieden werden, um den Abfüllprozess zu beschleunigen. Auch in anderen industriellen Prozessen ist Schaumbildung oft unerwünscht – aber nicht immer leicht zu verhindern.
Grundsätzlich besteht Schaum aus vielen Luftblasen, die durch einen dünnen Flüssigkeitsfilm voneinander getrennt sind. Dieser wird durch oberflächenaktive Stoffe wie Tenside, Lipide oder Proteine stabilisiert. Um die Schaumbildung zu verhindern, werden den Produkten in der Industrie aktuell unter anderem Öle, Wachse oder Mikropartikel zugesetzt. Sie unterstützen, dass benachbarte Luftblasen miteinander verschmelzen und der Schaum somit schneller zerfällt. Diese Zusatzstoffe müssen teilweise allerdings im Nachhinein wieder aufwändig herausgefiltert werden.
Mikro-Säulen gegen Schaumbildung
Ein Forscherteam um William Wong vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz hat deshalb getestet, ob sich die Schaumbildung auch durch eine spezielle Oberflächengestaltung des Gefäßes anstatt durch chemische Zusätze verhindern lässt. Hierfür haben sie die Wirkung von sogenannten superamphiphoben Oberflächen auf Schaum untersucht.
Superamphiphobe Flächen zeichnen sich dadurch aus, dass sie sowohl stark hydro- als auch stark lipophob sind – sie wirken auf wässrige und ölige Substanzen gleichermaßen abweisend. Sie besitzen eine mikroskopische Rauigkeit, wodurch die Flüssigkeiten auf kleinen, nur wenige Mikrometer großen Säulen und einer kontinuierlichen Luftschicht sitzen. So können die Flüssigkeiten nicht auf der Oberfläche haften. Bekannt ist dieser Effekt beispielsweise vom Lotosblatt.
„Wir haben uns die Frage gestellt, ob wir mit solchen Oberflächen die Bildung von Schaum verhindern können oder auch bereits existierenden Schaum auflösen können“, erzählt Wong. Die Idee dahinter: Die feinen Säulen destabilisieren bei Kontakt die Blasen des Schaums und bringen sie zum Platzen, ähnlich als wenn mit einer Nadel in einen Luftballon gestochen wird. Die Luft im Schaum wird dann freigesetzt und kann durch die kontinuierliche Luftschicht in der superamphiphoben Schicht entweichen.
Bier und Seife unter Beobachtung
Um zu testen, inwiefern ihre Idee in der Realität umsetzbar ist, haben die Wissenschaftler herkömmliche Trinkgläser mit einer dünnen, superamphiphoben Schicht versehen und danach mit Bier oder Seifenwasser befüllt. Bei den Biergläsern testeten sie zusätzlich einen dünnen Überzug aus einem Polymer auf Siliziumbasis und eine Nanostruktur, deren Zwischenräume im Gegensatz zum superamphiphoben Material nicht mit Luft, sondern mit einem wasserabweisenden Öl aus Hexadecan befüllt waren. Als Kontrolloberfläche diente in jedem der Experimente handelsübliches Normalglas.
Um festzustellen, wie gut sich die jeweiligen Oberflächen im Kampf gegen den Bierschaum schlagen, maßen die Wissenschaftler das Volumen des Schaums im Laufe der Zeit nach dem Einfüllen. Zusätzlich untersuchten sie, wie sich die Radien der Luftbläschen veränderten und dokumentierten die Häufigkeit von verschmelzenden und platzenden Bläschen.
Bierschaum schwindet schneller
Das Ergebnis der Bier-Untersuchung zeigt, dass es keinen eindeutigen Sieger gibt. Das Schaumvolumen nimmt zwar bei der Hexadecan-Oberfläche anfangs etwas schneller ab, nach zehn Minuten ist es aber auf dem gleichen Niveau wie das Volumen im superamphiphob beschichteten Glas – beide zeigen aber eine verbesserte Schaumminderung im Gegensatz zum Normalglas.
Der Weg zum geringeren Volumen unterschied sich allerdings zwischen den beiden Oberflächen. Bei dem Glas mit der Hexadecan-Schicht verschmolzen viele Bläschen, wodurch sich ihr Radius erhöhte und die Flüssigkeit zwischen den Blasen entweichen konnte. Die superamphiphobe Schicht erwies sich als radikaler: „Luftblasen, die mit der superamphiphobischen Oberfläche in Berührung kommen, platzen sofort und verschwinden. Superamphiphobe Flächen destabilisieren also Blasen“, schreiben die Wissenschaftler.
Seifenblasen werden direkt verhindert
Bei den Experimenten mit Seifenwasser zeigte sich ein ähnliches Ergebnis. Hier füllten die Wissenschaftler ein Normalglas und ein Glas mit superamphiphobischer Oberfläche mit seifenhaltigem Wasser. Dieses schäumten sie auf, indem sie Luft durch einen Schlauch reinblubberten. Während das unbeschichtete Glas bereits nach knapp 20 Sekunden vor Schaum überlief, bildete sich im superamphiphobisch beschichteten Glas quasi kein Schaum.
„Unserer Meinung nach wurden die Eigenschaften solcher Oberflächen im Zusammenhang mit Schaum lange unterschätzt“, meint Seniorautorin Doris Vollmer, ebenfalls vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung. „Wir konnten zeigen, dass superamphiphobe Oberflächen bereits existierenden Schaum effizient zerstören wie auch Schaumbildung von vornherein verhindern können.“
Kann Abfüllprozesse beschleunigen
Das Forscherteam sieht die Zukunft der superamphiphoben Beschichtungen letztlich allerdings weniger im Bierglas an der Theke, sondern in großindustriellen Anlagen. „Diese zusatzstofffreie und energieeffiziente Methode für Entschäumungs- und Schaumverhinderungsprozesse kann insbesondere für die Lebensmittel- und Chemieindustrie von Bedeutung sein“, schreiben die Wissenschaftler.
Die größten Vorteile sehen sie darin, dass das Verfahren einerseits gut auf größere Anwendungen skalierbar ist und andererseits keine Gift- oder Zusatzstoffe im Spiel sind. Außerdem sind superamphiphobe Beschichtungen laut den Forschern langfristig sehr pflegeleicht und erfüllen auch nach mehrfacher Verwendung noch ihren Zweck. (Nature Communications, 2022; doi: 10.1038/s41467-021-25556-w)
Quelle: Max-Planck-Institut für Polymerforschung