Er ist das Herz des zukünftig stärksten Teilchenbeschleunigers der Welt: Der ATLAS-Detektor. In sein Innerstes wurde jetzt ein neu entwickelter „Pixeldetektor“ eingebaut, der dem Beschleuniger das „Sehen“ beibringen wird. Das Instrument dient dazu, Reaktionen zu beobachten und aufzuzeichnen, wie sie auch kurz nach dem Urknall stattgefunden haben. Ziel ist es, den Grundbausteinen der Welt auf die Spur zu kommen.
So genau hat noch nie jemand den Urknall unter die Lupe genommen: Der Protonenbeschleuniger LHC liegt in einem kilometerlangen Tunnelsystem rund 100 Meter unter der Erdoberfläche. Er wird noch im Laufe dieses Jahres fertig gestellt werden und soll Anfang 2008 den Betrieb aufnehmen. Wenn in ihm Protonstrahlen zusammenstoßen, werden enorme 14 Tera-Elektronenvolt frei – weit mehr Energie, als je ein vom Menschen gebauter Beschleuniger erzeugt hatte. Damit können die Bedingungen nachgestellt werden, die wenige Sekunden nach dem Urknall die Entwicklung des Universums bestimmten.
Dunkle Materie und Supersymmetrie
Um die energiereichen Reaktionen von Elementarteilchen gewissermaßen mit 80 Millionen Argus-Augen aus unmittelbarer Nähe zu beobachten, setzten Techniker und Wissenschaftler jetzt in das Herz des ATLAS- Detektors den Pixeldetektor ein. Er wurde in nationaler und internationaler Zusammenarbeit unter führender Beteiligung von Bonner Physikern entwickelt.
„In solch frühe Urzeiten ist noch kein Experiment vorgestoßen“, freut sich Professor Dr. Norbert Wermes vom Physikalischen Institut der Universität Bonn, der das Pixeldetektor- Projekt der Universität Bonn leitet. Der Physiker erwartet neue Erkenntnisse über die Struktur der Materie und die Beschaffenheit der Elementarteilchen. „Vielleicht entdecken wir ja sogar bisher unbekannte Phänomene wie das Auftreten supersymmetrischer Teilchen“, sagt Wermes. Sie könnten Licht in das Rätsel der Dunklen Materie im Universum bringen.
80-Megapixel ohne Bild
Der Detektor funktioniert ähnlich wie eine Digitalkamera, jedoch nehmen die 80 Millionen aktiven Zellen keine Bilder auf. Vielmehr vermessen sie die Spuren der „Trümmer“, die in nur wenigen Zentimetern Entfernung bei der Kollision von extrem beschleunigten Teilchen entstanden sind. „Um sinnvolle Ergebnisse zu erhalten, müssen wir die Spuren von etwa 40 Millionen Kollisionen pro Sekunde mit einer Genauigkeit kleiner als eine Haaresbreite erfassen“, erklärt Wermes.
Während der Entwicklung des Detektors betraten die Physiker in vielen Bereichen technisches Neuland. Unter deutscher Federführung wurden strahlenresistente Pixelsensoren und eine extrem schnelle Ausleselektronik entwickelt. Für die elektrische Verbindung dieser Sensoren wurde eine neuartige Mikro- Verbindungstechnologie weiterentwickelt, und für den sehr präzisen Aufbau wurden neue Wege in der Leichtbauweise beschritten.
Pixeldetektoren eignen sich neben der physikalischen Grundlagenforschung auch für biomedizinische Bildgebungsverfahren. Insbesondere wenn hohe räumliche Auflösung und die Aufnahme zeitlicher Abläufe erforderlich ist, eröffnen diese Detektoren neue bisher nicht erreichte Möglichkeiten. Eine potentielle Anwendung er Technologie liegt in der digitalen Röntgen-Bildgebung, zum Beispiel in der Mammographie.
(Universität Bonn, 03.07.2007 – NPO)