„Magische“ Rotation: Die elektrischen Eigenschaften von Graphen lassen sich auf verblüffend einfache Weise komplett verändern, wie Forscher herausgefunden haben. So genügt es, zwei dieser Kohlenstoffnetze leicht gedreht aufeinanderzulegen, um das normalerweise leitfähige Material zum Isolator zu machen. Legt man dann eine Spannung an, wird Graphen dagegen supraleitend – sein elektrischer Widerstand verschwindet komplett, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.
Graphen gilt schon länger als wahres Wundermaterial. Denn das dünne Netz aus Kohlenstoffatomen ist härter als Stahl und trotzdem biegsam, besitzt die Fähigkeit zur Selbstorganisation und besitzt eine hohe elektrische Leitfähigkeit. Sogar zu einem Supraleiter kann man das Graphen machen – beispielsweise indem man es mit supraleitenden Metallen kombiniert.
Rotation macht Graphen nichtleitend
Doch wie sich jetzt zeigt, kann Graphen noch mehr. Denn es lässt sich auf verblüffend einfache Weise entweder zum Isolator oder aber zum Supraleiter machen. Yuan Cao vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge und seine Kollegen erreichten dies, indem sie zwei Schichten dieser nur eine Atomlage dicken Kohlenstoffnetze aufeinander legten.
Der Clou dabei: Die beiden Graphenschichten sind um ein winziges Bisschen gegeneinander verdreht. Der „magische“ Winkel liegt dabei bei genau 1,1 Grad, wie die Forscher berichten. Bei diesem Winkel bilden die Graphengitter eine Art Moiré-Muster, das zu ungewöhnlichen Wechselwirkungen zwischen den Elektronen der Kohlenstoffatome führt. Das Material verhält sich dadurch wie ein sogenannter Mott-Isolator – ein Material, das trotz halbgefüllter Elektronenbänder keinen Strom mehr leitet.
Abrupter Wechsel zum Supraleiter
Noch Spannender aber: Das „magische“ Graphengitter kann abrupt vom Isolator zum widerstandslos leitenden Supraleiter umschalten. Dafür genügt es, an die gegeneinander verdrehten Graphenschichten eine kleine Spannung anzulegen. „Damit ist das im ‚magischen Winkel‘ verdrehte Graphen der erste rein aus Kohlenstoff bestehende zweidimensionale Supraleiter“, sagen Cao und seine Kollegen.
In seinem supraleitenden Zustand ähnelt das Graphen anderen unkonventionellen Supraleitern wie den Cupraten. Diese aus Kupferverbindungen bestehenden Materialien verlieren ihren elektrischen Widerstand auf eine bisher nur teilweise erklärbare Weise. „Wir haben diese Hochtemperatur-Supraleiter bis zum Abwinken analysiert und noch immer können wir sie nicht erklären“, sagt Seniorautor Pablo Jarillo-Herrero vom MIT.
Transistor aus Graphen?
Im Gegensatz zu den Cuptraten wird Graphen jedoch auch ohne Dotierung mit Fremdatomen zum Supraleiter. Es reicht eine winzige Spannung, die den verdrehten Kohlenstoffnetzen einige zusätzliche Elektronen zuführt. „Die Dichte der Ladungsträger ist dabei um mehrere Größenordnungen niedriger als bei typischen 2D-Supraleitern“, berichten die Forscher.
„Damit können wir nun Graphen als neue Plattform für die Erforschung der unkonventionellen Supraleitung nutzen“, sagt Jarillo-Herrero. „Es könnte künftig auch möglich sein, einen supraleitenden Transistor aus Graphen herzustellen, den man einfach an und abschalten kann – von supraleitend zu isolierend. Das eröffnet auch viele Möglichkeiten für neue Quantengeräte.“ (Nature, 2018; doi: 10.1038/nature26154; doi: 10.1038/nature26160)
(Massachusetts Institute of Technology, 06.03.2018 – NPO)