Physikern ist es erstmals gelungen, die Lebensdauer eines von ihnen manipulierten Spin-Zustands deutlich zu verlängern: Sie konnten ihn mehrere millionstel Sekunden lang stabil halten und schufen damit die Basis für Rechenoperationen an einem Quantenbit in dieser Zeitspanne. Für zukünftige Quantencomputer ist diese jetzt in „Nature Photonics“ vorgestellte Methode eine entscheidende Voraussetzung.
Superschnell und leistungsstark: So sollen Quantencomputer einmal sein. Doch vor der Realisierung dieses völlig neuen Computertyps stehen noch technische Hürden. „Zum Bau von Quantencomputern sind als Informationsträger gute Quantenbits nötig“, erklärt der Würzburger Physiker Martin Kamp. Was ein gutes Quantenbit ausmacht? Es muss verschiedene physikalische Zustände annehmen können, die beliebig manipulierbar und möglichst langlebig sind. Um solche Bauelemente zu erhalten, beschreiten Wissenschaftler weltweit verschiedene Wege. Physiker der Universität Würzburg und ihre Kooperationspartner in Japan und den USA setzen auf Nanostrukturen aus Halbleitermaterialien, so genannte Quantenpunkte. Ein Vorteil dieser Festkörpersysteme ist die Möglichkeit, mehrere Quantenbits auf einem Chip zu integrieren.
Quantenpunkte im Magnetfeld
In den untersuchten Strukturen befindet sich in jedem Quantenpunkt ein zusätzliches Elektron, dessen so genannter Spin zur Darstellung eines Quantenbits verwendet wurde. Der Spin entspricht, vereinfacht gesagt, der Eigendrehung der Elektronen und kann symbolisch durch einen Pfeil dargestellt
werden. Die Quantenpunkte befinden sich in einem Magnetfeld, das eine Referenzachse für den Pfeil definiert. Zeigt der Pfeil entlang dieser Achse nur in zwei mögliche Richtungen, so hat man es mit einem klassischen Bit zu tun, mit dem heutige Computer rechnen. Bei einem Quantenbit dagegen sind alle Orientierungen in Bezug auf die Referenzachse relevant. Quantenbits codieren daher mehr Information als klassische Bits, sind aber auch anfälliger gegenüber Störungen, die zu einer Änderung der Orientierung führen können.
Manipulation des Spins durch Lichtpulse
In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature Photonics“ beschreiben die Würzburger Physiker verschiedene Möglichkeiten, die Orientierung eines Spin zu manipulieren. „Durch Lichtpulse lässt sich der Spin in eine genau definierte Position bringen“, erklärt Sven Höfling vom Physikalischen Institut. Von Dauer ist der gewünschte Zustand aber nicht; durch die Wechselwirkung des Spins mit der Umgebung des Quantenpunkts geht die in einem einzelnen Spin codierte Information normalerweise in wenigen Milliardstel Sekunden verloren. Die Überwindung dieses Effekts gilt als eine der größten Herausforderungen für die Realisierung von Quantencomputern.
Längere Lebensdauer des Spin-Zustands
Mit einer ausgeklügelten Technik ist es den Physikern gelungen, die Lebensdauer des vorher eingestellten Spin-Zustands deutlich zuverlängern: Sie konnten ihn mehrere millionstel Sekunden lang stabil halten. „In dieser Zeit können an einem Quantenbit 100.000 Operationen durchgeführt
werden, und das ist für den Einsatz in einem Quantencomputer eine sehr annehmbare Zahl“, so Martin Kamp. Dies sei darauf zurückzuführen, dass sich die Spinzustände in Quantenpunkten durch ultrakurze Lichtpulse auch sehr schnell manipulieren lassen.
„Unsere Arbeit zeigt das große Potenzial auf, welches einzelne Spin- Quantenbits für den Einsatz in Quantencomputern oder als Quantenspeicher bei Verschlüsselungstechniken zur sicheren Datenübertragung haben“, so das Fazit der Forscher. Nächstes Ziel der Physiker ist es, mehrere Quantenbits miteinander zu verschalten. Dabei wollen sie die Quantenbits auch in photonische Netzwerke einbinden, in denen Signale durch Lichtpulse übermittelt werden. Dass sich Spin-Quantenbits in solche Schaltkreise integrieren lassen, gilt als vorteilhaft für die weitere Entwicklung dieser Technologie.
(Universität Würzburg, 19.04.2010 – NPO)