Cluster-Kopfschmerzen gehören zu den schlimmsten Schmerzen überhaupt, meist helfen normale Schmerzmittel dagegen kaum. Doch jetzt gibt es neue Hoffnung für die Betroffenen: Ein nur mandelgroßes Implantat im Oberkiefer könnte ihnen helfen, den Schmerz abzuschalten. Der ferngesteuerte Neurostimulator beeinflusst einen schmerzauslösenden Nervenknoten hinter dem Wangenknochen und verringert nach ersten Tests deutlich die Schmerzintensität und -häufigkeit.
Cluster-Kopfschmerz ist eine neurologische Erkrankung mit äußerst intensivem, stechendem Schmerz, der einseitig um das Auge auftritt. Außer den Schmerzen kann es auch zu tränenden Augen und Schwellungen sowie einer verstopften Nase kommen. Diese Art von Schmerz wird auch „Selbstmord- Kopfschmerz“ bezeichnet und zählt zu den schlimmsten Schmerzformen beim Menschen. Die Attacken können mehrmals täglich auftreten und dauern zwischen 15 Minuten und drei Stunden an. Man schätzt, dass mindestens einer von 1.000 Menschen an Cluster-Kopfschmerz leidet.
„Bisher gab es für Cluster-Kopfschmerzpatienten nur wenige Behandlungsoptionen. Die gängigen
Ansätze umfassten die präventive Medikation und abortive Therapien zur Akutbehandlung wie beispielsweise teure injizierbare Substanzen und das Inhalieren von Sauerstoff. Diese Behandlungsformen können jedoch bei manchen Patienten nicht angewendet werden, zum Beispiel wenn kardiovaskuläre Risikofaktoren vorliegen; bei anderen Patienten treten erhebliche Nebenwirkungen auf“, erklärt Arne May, Professor für Neurowissenschaften am Universitätsklinikum Hamburg- Eppendorf (UKE) und Präsident der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG). Doch jetzt können Betroffene möglicherweise neue Hoffnung schöpfen.
Mandelgroßer Mini-Stimulator im Zahnfleisch
Jean Schoenen, Kopfschmerzforscher an der Universität Lüttich in Belgien hat auf dem Internationalen Kopfschmerzkongress in Berlin positive Studienergebnisse eines neuartigen Implantatsystems zur Behandlung schwerer Kopfschmerzen vorgestellt. Das von der Firma Autonomic Technologies (ATI) entwickelte Neurostimulationssystem besteht aus einem etwa mandelgroßen, implantierbaren Mini-Stimulator. Dieser wird ohne sichtbare Narben oder kosmetische Beeinträchtigungen so in das Zahnfleisch implantiert, dass die Spitze des Implantats wird an dem als Ganglion sphenopalatinum (GSP) oder Meckel-Ganglion bezeichneten Nervenbündel hinter dem Wangenknochen liegt.
Beeinflussung des Schmerz-erzeugenden Ganglions
Schon seit Jahren konzentriert man sich in der Klinik bei der Behandlung starker Kopfschmerzen auf das Meckel-Ganglion, um dort vor allem Lidocain oder sonstige Substanzen zu injizieren, um so die Nervenblockade auszulösen. Nach Implantation des Mini-Stimulators kann der Patient über eine externe Fernsteuerung, die einem großen Mobiltelefon ähnelt, bei Bedarf die Stimulation auslösen, die zur Linderung des Kopfschmerzes führt. Nach Behandlung der Schmerzen wird das Fernsteuergerät einfach wieder von der Wange genommen und die Stimulationstherapie damit ausgeschaltet.
Stärke und Häufigkeit der Attacken verringert
Bereits 22 Personen haben bisher an der Pathway CH-1 Studie, die die Sicherheit und Wirksamkeit des ATI Neurostimulators untersucht, teilgenommen. Insgesamt sind für die Studie rund 40 Patienten vorgesehen. Nach vorläufigen Ergebnissen erzielte die Methode bei 66 Prozent der behandelten Kopfschmerzattacken (n=57) eine Schmerzlinderung innerhalb von 15 Minuten. Gleichzeitig verringerte sich mit der Stimulation die Häufigkeit der Kopfschmerzen bei der Mehrheit der Patienten. Im Vergleich zu dem Vier-Wochen- Zeitraum vor Beginn der Studie sank die Kopfschmerz-Häufigkeit während der Studie bei 70 Prozent der Patienten um mindestens 50 Prozent ab.
„Die Ergebnisse sind sehr ermutigend“, erklärt Schoenen. „Chronischer Cluster-Kopfschmerz verursacht schwerste Beeinträchtigungen und starke Schmerzen, die es den Betroffenen oft unmöglich machen, ein normales Leben zu führen. Gemeinsam mit den Studienärzten freue ich mich auf die Fortsetzung der Forschungsarbeit zu dieser neuartigen Kopfschmerz- Therapie sowie auf die künftige Erforschung dieses Therapieansatzes bei schwerer Migräne.“
(Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft, 27.06.2011 – NPO)