Mit einem einmaligen Messsystem an Bord eines Passagierfliegers sind Forscher durch die Abgasfahne eines Vulkanausbruchs geflogen und haben dabei seltene Klimadaten gesammelt. Wie die Wissenschaftler im Fachblatt „Geophysical Research Letters“ berichten, könnten die Ergebnisse helfen, die Wirkung von Vulkanen auf die Atmosphäre und das Klima besser abzuschätzen.
Sie zeigen, dass der Ausbruch des Vulkans Kasatochi im Pazifik die Schwefel-Konzentration in den Proben um den Faktor 10, die Anzahl feinster Staubteilchen sogar um den Faktor 1.000 erhöht hatte. Neben dem potentiell klimakühlenden Schwefel enthielten die gemessenen Teilchen unerwartet viel potenziell wärmenden Kohlenstoff. Die monatlichen Messflüge im Rahmen des Projekts CARIBIC zeigten auf Teilen der Nordhalbkugel selbst vier Monate später noch drei Mal höhere Schwefelkonzentration als normal.
Kasatochi schleudert 1,5 Millionen Tonnen Schwefeldioxid in die Luft
Nach 200 Jahren Ruhe explodierte am 7. August 2008 der zwischen Kamtschatka und Alaska im Pazifik liegende Vulkan Kasatochi. In einer riesigen Gas- und Aschewolke schleuderte er circa 1,5 Millionen Tonnen Schwefeldioxid so hoch in die Luft, dass sie die Stratosphäre erreichten – jene Luftschicht, die über der Wetterschicht der Atmosphäre liegt. Das heißt, dass die Teilchen aus dieser Schicht langsamer ausgewaschen werden, da sich dort kein Niederschlag bildet.
Enorm hohe Schwefelwerte
Die als Jet-Stream bezeichnete Luftströmung transportierte die Abgasfahne des Vulkans nach Europa. Dort flog der speziell angepasste Lufthansa-Airbus „Leverkusen“ mit dem fliegenden Atmosphärenlabor CARIBIC des Max-Planck-Institutes für Chemie in Mainz (MPIC) im Frachtraum durch die Wolke, vermaß und beprobte sie.
In der Wolke verwandelte sich auf dem Weg von Alaska nach Europa ein Teil des gasförmigen Schwefeldioxids in winzige flüssige Schwefelsäuretröpfchen und Sulfate. Aufmerksam wurden die Wissenschaftler auf ihren seltenen Fund, da die Schwefelanalysen der Aerosol-Proben, durchgeführt an der Universität Lund, extrem hohe Werte aufwiesen.
Abgasfahne des Kasatochi vermessen
„Daraufhin haben sich unsere Kollegen vom Institut für Troposphärenforschung in Leipzig die Anzahl und Größen der Partikel in den Proben genauer angesehen“, erzählt Projektkoordinator Professor Carl Brenninkmeijer vom MPIC. „Wir hier in Mainz haben den Schwefeldioxid-Gehalt über die Spektralanalysen des gestreuten Sonnenlichts eingehender analysiert. Und zusammen war klar: Wir haben die Abgasfahne des Kasatochi vermessen.“
Ein seltenes Ereignis: „Wir haben zwar Messdaten aus inzwischen fast zehn Jahren, aber dies ist das erste deutliche, detaillierte Signal eines Vulkanausbruchs, das wir messen konnten“, sagt Brenninkmeijer. „Für uns Atmosphärenforscher gibt es wenige natürliche Experimente dieser Art. Heftige Vulkanausbrüche interessieren uns sehr, da die Unmengen an Asche und Gasen viele Prozesse und letztendlich das Klima beeinflussen.“
Dass Schwefel in Form von Schwefelsäuretröpfchen das Klima kühlt, ist bekannt. Schon 1961 entdeckte Christian Junge die nach ihm benannte Junge-Schicht. Sie besteht aus Schwefelsäuretröpfchen und umspannt die Erde in 20 bis 30 Kilometern Höhe knapp oberhalb der Ozonschicht.
Künstliche Vulkanausbrüche?
„Die Tröpfchen reflektieren und streuen das Sonnenlicht, so dass weniger Energie auf der Erde ankommt – es bleibt ein wenig kühler“, so Brenninkmeijer. Nobelpreisträger Paul Crutzen regte aufgrund dessen an, dass es möglich sein könnte, eine Klima-Notbremse aus Schwefelsäure in die Stratosphäre auszubringen. Ein Experiment von dem er sich selber wünscht, dass es niemals gemacht werden muss. Da die Junge-Schicht teilweise aus heftigen Vulkanausbrüchen gespeist wird, wäre diese Notmaßnahme in etwa vergleichbar mit künstlichen Vulkanausbrüchen.
„Interessanterweise haben wir in den Aschepartikeln des Kasatochi auch große Anteile von Kohlenstoff gefunden. Im Gegensatz zu den reinen Schwefelteilchen können diese dunkel gefärbten Teilchen Wärme aufnehmen, so dass sie dem Schwefel-Effekt entgegenwirken“, erklärt Brenninkmeijer.
Schon bald neue Ergebnisse?
Ob die Asche des Kasatochi in dieser Hinsicht ungewöhnlich ist, können die Forscher momentan noch nicht sagen, da sie keine Vergleichsmessungen haben. „Aber wir arbeiten hart und hoffen noch in diesem Jahr weitere Ergebnisse vorlegen zu können“, so Brenninkmeijer.
(idw – Max-Planck-Institut für Chemie, 06.07.2009 – DLO)