Im Radrennsport zählen tausendstel Sekunden. Wer unter die Ersten kommen will, muss hart trainieren. Ambient Intelligence – eine intelligente Umgebung aus Sensoren und Computern – hilft jetzt Sportlern, ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern.
Es geht bergauf. Die Fahrer treten kräftig in die Pedale. Noch liegt das Team gut im Rennen. Doch bald wird es zurückfallen. Der Puls des Teamführers steigt bei nachlassender Tretleistung. Das ist der Punkt, an dem die Muskelübersäuerung beginnt und der Leistungseinbruch folgt. Noch bevor der Fahrer die Schwäche bemerkt, bekommt er über Funk Anweisung, die Führung abzugeben. Ein Kollege übernimmt, bis sich der Spitzenmann erholt hat. „Mit Ambient Intelligence, zu deutsch Intelligenter Umgebung, lässt sich die Leistungsfähigkeit von Einzelfahrern und ganzen Teams permanent überprüfen und verbessern.“ Davon ist Dr. Martin Becker vom Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE in Kaiserslautern überzeugt.
Im Labor hat sich das neue intelligente Trainingssystem bereits bewährt: Zusammen mit Wissenschaftlern vom Forschungsschwerpunkt Ambient Intelligence der Universität Kaiserslautern hat Becker im Deutsch-Ungarischen-Forschungsprojekt BelAmi ein Netzwerk von Sensoren, Computern und Aktoren entwickelt, mit dem Radrennfahrer ihre Leistungen optimieren können. Mehr als zehn Fahrer können gleichzeitig trainieren: Jedes Fahrrad ist so ausgestattet, dass es permanent die Kräfte erfasst, die auf die beiden Tretkurbeln wirken. Zusätzlich spielen Puls, Tretfrequenz, Geschwindigkeit und Steigung eine Rolle.
All diese Messwerte werden in einem Prozessor am Fahrrad gesammelt, über Funk an eine zentrale Recheneinheit geschickt und dort ausgewertet. Der Computer liefert jedem Fahrer individuelle Trainingsempfehlungen: Er kann diese auf einem Display an der Lenkstange sehen oder über Kopfhörer empfangen. Damit die Radprofis die Informationen bei Bedarf auch während der Fahrt abfragen können, entwickelt das ungarische Forscherteam derzeit eine adaptive Komponente, die Sprache selbst dann erkennt, wenn sie durch die körperliche Anstrengung verzerrt klingt. Becker: „Unser Ziel ist es, das System so nutzerfreundlich zu machen, dass Radsportler es bedienen können, ohne dabei abgelenkt zu werden.“
In den nächsten Monaten soll die intelligente Umgebung mobil werden: „Das ist der Härtetest für die Ambient Intelligence. Der Radsport ist eine besondere Herausforderung, da sich die Position der Akteure ständig verändert, es können sich sogar Untergruppen bilden, die räumlich voneinander getrennt sind“, erläutert der Forscher. Noch experimentieren die Wissenschaftler mit Sportstudenten. Doch schon nächstes Jahr sollen sich Profis in den Sattel schwingen, um das System zu testen.
(Fraunhofer Gesellschaft, 20.07.2006 – NPO)