„Verbotener“ Farbwechsel: Forscher haben ein Molekül entdeckt, das einer Grundregel der Fluoreszenz widerspricht. Denn es kann die Lichtfarbe seiner Emission verändern. Ist das Leuchtmolekül in dünnflüssigem Medium gelöst, schimmert es schwachrot, in dickflüssigem Medium jedoch strahlt es plötzlich hell blaugrün auf. Dahinter steckt ein neuartiger Leuchtmechanismus – und Potenzial für neue Anwendungen, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Chemistry“ berichten.
Ob Leuchtquallen, bunt leuchtende Korallen oder geheimnisvoll schimmernde Kreaturen in der Tiefsee: Die Natur hat das Phänomen der Fluoreszenz auf vielfache Weise umgesetzt. Das Prinzip dahinter ist aber immer das Gleiche: Bestimmte Moleküle werden durch einfallende Strahlung angeregt und senden beim Zurückkehren in den Grundzustand ihrerseits Licht aus.
1950 entdeckte der Chemiker Michael Kasha dabei eine Gesetzmäßigkeit: Jedes Fluoreszenz-Molekül sendet immer nur eine bestimmte, immer gleiche Lichtfarbe aus – unabhängig von der Lichtfarbe der anregenden Strahlung. Das Grund dafür: Das Licht entsteht durch den Energiesprung vom niedrigsten angeregten zum Grundzustand – und dieser ist durch die Molekülstruktur festgelegt. Weitere überschüssige Energie wird als Vibration und Wärme abgegeben.
Blaugrün statt rot
Doch nun haben Mathew Liptak von der University of Vermont und seine Kollegen Moleküle entdeckt, die dieser Kasha-Regel zu widersprechen scheinen. Entdeckt haben die Forscher das Phänomen, als sie das Verhalten von sogenannten molekularen Rotoren näher untersuchten. Diese Verbindungen aus mehreren Kohlenwasserstoffringen mit paddelförmigen Anhängen fluoreszieren normalerweise nur schwach.
Für ihre Studie gaben die Forscher einige Bor-Fluor-Hydrazine in eine dickflüssige Mischung aus Glycerin und Ethylenglykol. Als sie nun diese Lösung bestrahlten, bemerkten sie Erstaunliches: Statt nur schwach rot zu leuchten, wie sonst üblich, wechselten die Fluoreszenz-Moleküle plötzlich ihre Lichtfarbe und strahlten nun intensiv blaugrün.
Am Rotieren gehindert
„Das war sehr überraschend“, sagt Liptak. „Denn das ist eine Ausnahme von der Kasha-Regel.“ Aber warum? Um das herauszufinden, analysierten die Forscher das Verhalten und die Energiezustände der Leuchtmoleküle in Computersimulationen. Dabei zeigte sich: Schuld an dem „Regelverstoß“ ist die zähflüssige Umgebung.
In der zähen Masse kann das Molekül nur schwer rotieren und so überschüssige Energie loswerden. Als Folge wird die zusätzliche Energie in diesem Fall als Licht abgegeben – und die Kasha-Regel gebrochen. „Die Emission stammt nicht vom S1-Zustand (dem niedrigsten angeregten Energiezustand), sondern vom nächsthöheren S2-Zustand“, erklären die Forscher. „Das ist eine ganz neue Art, Licht zu produzieren.“
Biomarker, LEDs und Indikatorstoffe
Die Forscher haben diesen neuen Leuchtmechanismus „Suppression of Kashas Rule“ (SOKR) getauft – zu Deutsch Unterdrückung der Kasha-Regel. Ihrer Ansicht nach eröffnen die neuentdeckten SOKR-Moleküle eine ganze Reihe von vielversprechenden Anwendungen – vor allem wegen ihrer Reaktion auf die Viskosität ihres Lösungsmittels. „Die Viskosität ist eine fundamentale Eigenschaft biologischer Systeme, für die wir bisher weitgehend blind waren“, erklärt Lipton.
Das aber hat sich nun geändert. Die neuentdeckten Fluoreszenzmoleküle könnten beispielsweise als Viskositäts-Indikator in der Chemie oder in der biomedizinischen Bildgebung eingesetzt werden. Möglich wäre aber auch die Anwendung neuer Arten von LEDs auf Basis solcher Farbstoffe. (Nature Chemistry, 2016; doi: 10.1038/nchem.2612)
(University of Vermont, 27.09.2016 – NPO)