Katalysatoren funktionieren, selbst wenn dabei noch nicht sämtliche chemische Reaktionen bekannt sind. Verstünden Forscher diese besser, ließen sich jedoch viele Prozesse, die sich an Oberflächen abspielen, optimieren. Das Wissen, wie sich beispielsweise Moleküle rechts- oder linkshändig – als Bild oder Spiegelbild – auf einer Oberfläche anordnen, eröffnet nicht zuletzt der Pharmakologie beim Herstellen von Medikamenten neue Handlungsfelder. Jetzt sind Forscher hier einen Schritt weiter gekommen.
Paare, die sich nicht zur Deckung bringen lassen
In der Natur kommen häufig „Paare“ vor, die gleich aussehen und doch verschieden sind, und auch mit Drehen und Wenden nicht zur Deckung gebracht werden können. Paradebeispiele für Chiralität sind Schneckenhäuser und Mineralien, und eben auch Moleküle. Viele Moleküle des Lebens sind chiral, zum Beispiel DNA, Proteine und deren Bausteine, die Aminosäuren, und Zuckermoleküle. Diese kommen fast ausschliesslich in der einen Spiegelbildform vor.
Warum dem so ist, bleibt ein Rätsel mit grosser Tragweite: Denn die zwei Spiegelbildformen eines Moleküls können – trotz identischer physikalischer und chemischer Eigenschaften – biologisch völlig unterschiedlich wirken. So riecht beispielsweise der Duftstoff Carvon abhängig von seiner linken oder rechten „Händigkeit“ entweder nach Minze oder nach Kümmel. Weniger harmlos wirkte sich in den 60er-Jahren die Händigkeit des Wirkstoffs Thalimdomid im Schlafmittel Contergan aus: Seine rechtshändige Form brachte den ersehnten Schlaf, das linksdrehende Thalimdomid führte bei Schwangeren zu schweren Missbildungen der Ungeborenen.
“Molekülkitzeln“ beeinflusst Chiralität
„Wir kitzeln Moleküle“, beschreibt Karl-Heinz Ernst von der Abteilung „Nanoscale Materials Science“ der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa die Experimente, mit denen er und seine Kollegen chemische Reaktionen untersuchen, die auf Oberflächen stattfinden. Im Rastertunnelmikroskop (RTM) versetzen sie einzelne Moleküle mit einem Elektronenstrahl hochpräzise in Schwingung. Denn ein RTM ist nicht nur Mikroskop, um kleinste Teilchen zu beobachten; es ist gleichzeitig auch ein äusserst empfindliches Werkzeug, mit dem sich einzelne Atome und Moleküle manipulieren lassen.
In den Experimenten der Empa-Forscher begannen die angeregten Moleküle zu hüpfen und zu zappeln, bewegten sich von der Stelle, drehten sich um ihre Achse, konnten aber auch blitzschnell „invertieren“, das heisst in die gegensätzliche Spiegelbildform wechseln. Mit dem Verändern der elektrischen Spannung und und des Tunnelstroms konnten die Wissenschaftler nachvollziehen, welche Teile der Moleküle angeregt wurden und wie sie darauf reagierten.
(Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, 29.05.2009 – NPO)