Physik

Molekulare Motoren: Biegsamkeit ist Trumpf

Forscher untersuchen Funktionsweise der Hebelarme mit theoretischem Modell

Molekulare Motoren sind richtige Schwerarbeiter. Sie transportieren große Lasten innerhalb der Zelle entlang von Filamenten, den zellulären „Autobahnen“. Wie bei Automotoren auch, muss dabei die aus dem Treibstoff gewonnene Energie schnell und effizient in mechanische Bewegung umgesetzt werden. Biologische Maschinen verwenden dazu molekulare Scharniere und Hebelarme. Deutsche Wissenschaftler haben nun anhand eines theoretischen Modells gezeigt, dass die Biegsamkeit der Hebelarme ein entscheidender Faktor für die Funktionsweise molekularer Motoren ist.

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Wie die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ berichten, lässt sich die Steifigkeit der Hebelarme so optimieren, dass Biomotoren schnell und gleichzeitig robust arbeiten, also sowohl kleine wie große Lasten mit gleicher Effizienz transportieren können. Die für diese theoretische Berechnung neu entwickelte analytische Methode kann nun allgemein für ähnliche biologische Fragestellungen genutzt werden – oder für Entwicklungen in der Nanobiotechnologie.

„Schwenkgeschwindigkeit“ entscheidend

Viele biologische Funktionen hängen davon ab, dass Makromoleküle Übergangsformen ihrer räumlichen Anordnung einnehmen können. Der Transport zellulärer Lasten durch molekulare Motoren ist nur ein Beispiel dafür. Auch das Erbmolekül DNA muss etwas Flexibilität zeigen, etwa wenn bestimmte Proteine an die langgestreckte Doppelhelix binden wollen oder wenn diese von anderen Proteinen befreit wird, um besser zugänglich zu sein. Bei diesen und entsprechenden Prozessen muss ein langes Segment in dem betreffenden Molekül oder Komplex während der Übergangsphase gedreht werden. Dazu muss das Segment aber in gewissem Umfang biegsam sein.

Eine entscheidende Größe bei diesen Prozessen ist die Reaktionsrate, bei molekularen Motoren ist das etwa die „Schwenkgeschwindigkeit“ des Arms, die in diesem Fall für die Laufgeschwindigkeit des Moleküls entlang des Filaments entscheidend ist. „Wir konnten zeigen, dass die Reaktionsrate besonders hoch ist, wenn der Arm ein Scharnier hat“, sagt Professor Ulrich Gerland von der Universität zu Köln, der zusammen mit Professor Erwin Frey von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München für die neue Studie verantwortlich war. „Dieser physikalische Effekt kann von der Natur oder der Nanoforschung genutzt werden. Tatsächlich wurden entsprechende Scharniere – so etwa wie Ellbogen in den molekularen Armen – bereits nachgewiesen.“

„Mittelsteife“ Scharniere am besten

Daneben zeigt die Arbeit auch, dass die Reaktionsrate optimal ist, wenn diese Scharniere weder ganz steif sind, noch eine völlig freie Rotation erlauben. Sie müssen vielmehr eine „mittlere“ Steifigkeit haben. Denn dann ist die Reaktionsrate auch besonders robust, sie hängt also fast nicht von der Größe der Last ab, die der molekulare Motor transportiert. „Der Aspekt der Robustheit hat bei molekularbiologischen Systemen sogar eine besondere Bedeutung“, so Frey. „Denn in der stürmischen molekularen Welt gibt es viele Möglichkeiten für Störungen und Fluktuationen. Trotzdem aber muss die Funktion der Systeme sichergestellt sein.“

Diese Fragen haben die Forscher mit Hilfe eines stark vereinfachten Modells untersucht. Erstmals konnte damit quantitativ beschrieben werden, wie ein physikalischer Prozess, nämlich die Biegesteifigkeit in einem langgestreckten Makromolekül, direkten Einfluss auf die Reaktionsrate eines biochemischen Vorgangs, also die Änderung der räumlichen Anordung des Moleküls, haben kann. Die für ein genaues Verständnis des Modells neu entwickelten theoretischen Konzepte können nun allgemein auf Reaktionsprobleme ähnlicher Art angewendet werden kann.

(idw – Universität München, 24.10.2007 – DLO)

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