Physiker haben heute eine ziemliche genaue Vorstellung davon, wie Reibung und Klebung in der Welt der sichtbaren Objekte wirken. Aber wie sieht es damit in der Welt der kleinsten Teilchen aus? Dort, wo Oberflächen aus weniger als tausend Atomen aneinander vorbei gleiten? Werden sie sich reiben wie ein Autoreifen auf dem Asphalt oder kleben sie zusammen wie Holz und Holzleim? Amerikanische Forscher haben jetzt darauf eine Antwort gefunden. Sie lautet „Es kommt darauf an.“
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Physiker der Johns Hopkins Universität in Baltimore unter der Leitung von Mark O. Robbins erforschten die Reibung und Adhäsion in der Nanowelt mithilfe von Computermodellen. „Jede Oberfläche, die aus einzelnen Atomen besteht, hat ‚Hügel’ in Atomgröße“, erklärt der Wissenschaftler. „Und die Möglichkeit, die Platzierung von Atomen im Modell gezielt zu variieren erlaubte es uns, den Einfluss der Atomstruktur darauf quantitativ zu erfassen.
Die Modelle zeigten, dass Oberflächen von wenigen bis tausend Atomen mit der gleichen Form aber unterschiedlichen lokalen Strukturen oder „Hügeln“ sich unterschiedlich verhalten, selbst wenn diese Oberflächen aus dem gleichen Material bestehen. Lokale Spannungen und Adhäsionskräfte können um den Faktor zwei oder mehr variieren und die Reibung sogar um das Zehnfache, so der Forscher. Diese neuen Erkenntnisse könnten eines Tages zur erfolgreichen Entwicklung von Nanomaschinen beitragen.
„Jeder weiß, dass Materie aus einzelnen Atomen besteht, aber die meisten Modelle des mechanischen Verhaltens ignorieren dies und behandeln Atome als wenn sie zu einem künstlichen kontinuierlichen Medium verschmolzen wären”, erklärt Robins. „Diese Herangehensweise funktioniert gut, wenn es darum geht, das Verhalten von größeren Maschinen zu beschreiben, aber was passiert, wenn die ganze Maschine nur ein paar tausend Atome groß ist? Die Antwort darauf ist entscheidend für die Funktion von menschengemachten Nanomaschinen und viele biologische Prozesse.“
Robbins und sein Team untersuchten den Kontakt zwischen festen Oberflächen mit Erhebungen, deren Radien zwischen hundert und tausend Atomdurchmessern variierten. „Hügel“ dieser Größe gelten als typisch für die Oberfläche von Nanomaschinen oder die Spitzen von Rasterkraftmikroskopen, mit denen mechanische Eigenschaften auf Atomniveau gemessen werden.
Mithilfe von Computersimulationen verfolgten die Wissenschaftler den Versatz von bis zu zehn Millionen Atomen, wenn zwei Oberflächen sich angenäherten. Sie verglichen den Versatz und die Adhäsions- und Reibungskräfte mit den entsprechenden Berechnungen nach der von einem „Kontinuum“ ausgehenden Standardtheorie. „Das Wissen um die exakte Atomstruktur und wie sich jedes Atom bewegte erlaubte es uns, die beiden Schlüsselannahmen der Standardtheorie zu überprüfen“, erklärt Robbins. „Die Annahme, dass Oberflächen auch auf atomarer Ebene wie glatte und strukturlose Flächen reagieren versagte kläglich.“
In einem ebenfalls in „Nature“ veröffentlichten Begleitartikel konstatiert Jacob Israelachvili von der Universität von Kalifornien in Santa Barbara, dass diese Ergebnisse fundamentale Bedeutung für die Auslotung der Grenzen der „Kontinuum“-Theorien haben. Sie zeigen, „wie Oberflächen maßgeschneidert werden könnten, wenn die atomaren Details berücksichtigt werden.“ Angesichts des wachsenden Interesses an der Nanotechnologie, in der unerwünschte Reibungen oder Adhäsionen Fehlfunktionen oder Versagen von Geräten hervorrufen können, kommentiert Robbins: „Ich hoffe, dass dies dazu beitragen kann, neue Instrumente für das Voranschreiten der Nanotechnologie zu schaffen.“
(Johns Hopkins University, 01.07.2005 – NPO)