Eine in Nature Nanotechnology veröffentlichte Studie enthüllt, dass einige Formen von Kohlenstoffnanoröhren – den Paradebausteinen der Nanotechnologie – genauso gesundheitsschädlich sein könnten wie Asbest, falls sie in entsprechenden Mengen eingeatmet werden. Sie erzeugen in Zellen des Lungengewebes ähnliche Veränderungen wie künstliche Mineralfasern und auch Asbest.
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Die vor fast 20 Jahren entdeckten Kohlenstoffnanoröhren werden als der Wunderwerkstoff des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Die Zylinder aus nur Atom-dicken Graphitlagen sind meist zwischen einigen Nanometern bis zu einigen Dutzend Nanometern dick, können aber Hunderte oder gar Tausende von Nanometern lang sein. Leicht wie Kunststoff und fester als Stahl werden sie für den Einsatz in neuen Medikamenten, Batterien mit hohem Wirkungsgrad und futuristischer Elektronik entwickelt. Doch seit ihrer Entdeckung wurde auch die Frage aufgeworfen, ob diese Werkstoffe im Nanobereich eventuell gesundheitsschädlich sein könnten und den aufkommenden Markt für alle Arten von Kohlenstoffnanoröhren, ob mehr- oder einwandig, unterminieren könnten.
„Die Studie nimmt sich einen ganz speziellen Nanowerkstoff vor, der voraussichtlich weite kommerzielle Verwendung finden wird und versucht, ganz spezifische Fragen zu einer ganz spezifischen Gesundheitsgefährdung zu beantworten“, erklärt Andrew Maynard, wissenschaftlicher Chefberater des Project on Emerging Nanotechnologies und einer der Autoren des Berichts. „Obwohl Wissenschaftler seit Jahrzehnten wegen der Sicherheit langer, dünner Kohlenstoffnanoröhren besorgt sind, wird die Frage derzeit von keinem der strategischen, US-amerikanischen Forschungsvorhaben im Umfeld Nanotechnologie, Gesundheit und Risikoabschätzung näher untersucht.“
Wirkung wie lange Asbestfasern
Die von Professor Kenneth Donaldson geleitete Forschungsgruppe an der Universität Edinburgh in Grossbritannien untersuchte die möglichen, als Vorläufer des Mesothelioms bekannten, pathologischen Reaktionen auf lange und kurze Kohlenstoffnanoröhren, lange und kurze Asbestfasern und auf Ruß. Das Material wurde Mäusen in den Bauchraum injiziert, was einen empfindlichen Prädiktor für die Reaktion des Lungenepithels auf lange Fasern darstellt.
„Die Ergebnisse waren eindeutig“, erklärt Donaldson. „Lange, dünne Kohlenstoffnanoröhren zeigten die gleiche Wirkung wie lange, dünne Asbestfasern.“ Asbestfasern sind deshalb gesundheitsschädlich, weil sie dünn genug sind, um tief in die Lunge einzudringen, aber zu lang, um vom natürlichen Säuberungsmechanismus der Lunge wieder entfernt werden zu können. Die Studie ergab, dass die nanoröhrchen ähnliche Veränderungen wie Asbestfasern an den Zellen erzeugen. Ob dies bedeutet, dass sich auch ein Mesothelium entwickeln würde, ist jedoch nciht geklärt.
Kurze, gebogene Röhrchen umschädlicher?
Donaldson betonte allerdings, dass Teile des Puzzles noch fehlen. „Wir wissen immer noch nicht, ob Kohlenstoffnanoröhren überhaupt durch die Luft befördert und eingeatmet werden können und ob sie, falls sie in die Lunge gelangen, bis zum empfindlichen äusseren Epithel vordringen können. Doch falls sie in ausreichenden Mengen dorthin gelangen sollten, besteht die Gefahr, dass einige Betroffene, eventuell erst Jahrzehnte nach dem sie das Zeug eingeatmet haben, Krebs entwickeln“, stellte Donaldson fest.
Doch zeichnet sich aufgrund der Untersuchung auch ein Silberstreifen am Horizont ab. Donaldson zufolge „verhielten sich kurze und gebogene Kohlenstoffnanoröhren nicht wie Asbest und wenn man die möglichen Gefahren langer dünner Kohlenstoffnanoröhren kennt, kann man daran arbeiten, sie unter Kontrolle zu halten. Es handelt sich also durchaus auch um gute Nachrichten und nicht etwa nur schlechte. Sie besagen einfach, dass Kohlenstoffnanoröhren und die aus ihnen gefertigten Erzeugnisse sicherer gemacht werden können.“
Zalreiche offene Fragen
Doch Donaldson fügte hinzu, dass die derzeitige Studie nur das faserartige Verhalten untersucht hat und damit nicht ausgeschlossen ist, dass Kohlenstoffnanoröhren die Lunge nicht auf andere Art und Weise schädigen. „Weitere Forschungsarbeiten sind notwendig, wenn wir verstehen wollen, wie wir diese Werkstoffe so sicher wie nur möglich einsetzen können“, merkte er an.
„Dies sollte uns in Bezug auf die Nanotechnologie im Allgemeinen und die Kohlenstoffnanoröhren im Besonderen wachrütteln“, so Maynard. „Gesellschaftlich können wir es uns einfach nicht leisten, diesen unglaublichen Werkstoff nicht zu nutzen, aber wir können es uns ebenso wenig leisten, es auf die falsche Art und Weise zu tun, so wie wir es beim Asbest getan haben.“
(The Project on Emerging Nanotechnologies, 26.05.2008 – NPO)