Nanopartikel schädigen kleine Wasserorganismen stärker als bisher angenommen, denn sie wirken sich sogar auf die nächste Generation aus. Das zeigt eine Studie von Koblenzer Forschern an Wasserflöhen. Setzten sie diese Kleinkrebse erhöhten Konzentrationen von Titandioxid-Nanoteilchen aus, zeigten sich bei den Nachkommen dieser Krebse deutliche Folgen: Ihre Schwimmfähigkeit war beeinträchtigt, berichteten die Forscher im Fachmagazin „PloS ONE“.
Diese Beobachtung sei vor allem deshalb bemerkenswert, weil bei den Eltern, die den Nanopartikeln ausgesetzt waren, keine direkten Wirkungen nachzuweisen waren, berichten Mirco Bundschuh und seine Kollegen von der Universität Koblenz-Landau. Die Elternkrebse seien in diesen Tests Konzentrationen von Nanoteilchen ausgesetzt worden, die nur um das 20-fache über dem lagen, was nach neueren Studien bereits in Gewässern nachzuweisen ist.
Nanopartikel sind Metalle oder Metallverbindungen, deren Teilchen nur ein bis 100 Nanometer klein sind – sie sind damit rund tausendmal dünner als ein Menschenhaar. Ihre geringe Größe verleiht ihnen besondere Eigenschaften. Deshalb werden Nanopartikel in zahlreichen Branchen wie der Elektronik, Chemie, Medizin oder Kosmetik bereits in großem Maßstab eingesetzt. So enthalten beispielsweise Sonnencremes, Deodorants, Zahnpasten oder Salatdressings zur Aufhellung Nanoteilchen aus Titandioxid. Über ihre Wirkung auf Mensch und Umwelt sei bisher nur wenig bekannt, sagen die Forscher. Dennoch müssen Produkte mit Nanopartikeln bislang nicht gekennzeichnet werden.
„Die Studie untermauert, dass Nanomaterialien aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften überraschende Wirkungen hervorrufen können“, sagt Studienleiter Ralf Schulz. In klassischen Chemikalientests – die oft mit Wasserflöhen durchgeführt werden – wird nur die Reaktion der jeweils direkt den Stoffen ausgesetzten Tieren überprüft. Die nächste Generation werde in diesen Standardtests dagegen nicht untersucht. „Daher reichen klassische Untersuchungen und Risikobewertungen nicht aus“, sagt der Forscher. Die Zulassungsbehörden müssten sich zügig für eine Weiterentwicklung und Einführung angepasster Tests einsetzen, um auch langfristige Risiken zuverlässiger bewerten zu können. Denn Nanopartikel gelangten schließlich dauerhaft in die Umwelt.
Schwimmfähigkeit als Anzeiger für Schäden
Für ihre Studie hatten die Forscher Wasserflöhe in Wasser mit 0,02 bis 2 Milligramm pro Liter Titandioxid-Nanopartikeln gehalten. Diese Konzentrationen liegen um mehr als das 50-Fache unter dem, was laut vorherigen Studien für diese Tiere schädlich ist. Die Auswirkungen dieser Exposition prüften die Wissenschaftler nach einem von der OECD genormten Standardprotokoll, bei dem unter anderem die Schwimmfähigkeit und Aktivität der Wasserflöhe eingestuft wird. Wie die Forscher berichten, machten sich in diesen Tests auch nach längerer Zeit keine negativen Folgen bei den Krebsen bemerkbar.
Die von diesen Wasserflöhen produzierten Nachkommen unterzogen die Forscher erneut Tests, indem sie diese für jeweils kurze Zeit in Becken mit erhöhten Titandioxid-Konzentrationen setzten. „Die Jungtiere von Wasserflöhen aus mit Nanopartikeln versetztem Wasser reagierten zwei bis fünf Mal sensibler als die Nachkommen unbelasteter Krebse“, berichten die Forscher. Ihre Schwimmfähigkeit sei schon bei sehr geringen Titandioxid-Konzentrationen beeinträchtigt gewesen. Im Freiland könne diese Auswirkung die Überlebensfähigkeit der Wasserflöhe verringern. Zudem sei nicht auszuschließen, dass die Krebse auch sensibler auf andere Stressfaktoren wie Pestizide oder Metalle reagieren(doi: 10.1371/journal.pone.0048956).
(PloS ONE, 15.11.2012 – NPO)