Technik

Nanotube-Computer sagt „Hello World!“

Forscher konstruieren ersten Computer aus mehr als 14.000 Nanoröhrchen-Transistoren

Nanotube-Computer
Forscher haben einen Nanoröhrchen-Computer konstruiert, der erstmals Leistungen vergleichbar einem Silizium-Chip erreicht. © HG: adventr/ iStock.com

Röhrchen als Rechner: Forscher haben erstmals einen Computer aus Millionen von Nanoröhrchen konstruiert. Mit mehr als 14.000 Nanotube-Transistoren ist dieser RV16X-NANO der bisher größte nicht auf Silizium-Technologie basierende Rechner – und der erste Nanotube-Computer, der in seiner Leistung in die Liga der Silizium-Chips vorstößt, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten. Trotz des ungewöhnlichen Materials rechnet dieser Computer aber genauso wie normale Mikroprozessoren.

Elektronikbauteile und Mikrochips werden immer kleiner und leistungsfähiger. Doch die klassische Silizium-Technologie stößt bald an ihre Grenzen, weil die Produktionsmethoden, aber auch quantenphysikalische Störeffekte keine weitere Miniaturisierung erlauben. Schon länger suchen Forscher deshalb nach Alternativen – beispielsweise in Form von Bauteilen aus Graphen oder Molybdändisulfid. Auch Transistoren und komplette Computer aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen wurden schon entwickelt.

„Doch wie bei allen neuen Nanotechnologien blieb eine große Lücke zwischen diesen Demonstratoren in kleinem Maßstab und modernen Computersystemen mit tausenden bis Milliarden von Feldeffekt-Transistoren“, erklären Gage Hills vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und seine Kollegen.

Nanotube-Prozessor
Mikroprozessor aus Nanoröhrchen-Transistoren. © Felice Frankel/ MIT

Erster Nanoröhrchen-Chip in der „Silizium-Liga“

Diese Lücke haben Hills und sein Team nun überbrückt. Denn erstmals haben sie einen Computer gebaut, der komplett aus Nanoröhrchen besteht, aber in Funktion und Leistung mit einem älteren Silizium-Prozessor vergleichbar ist. Der RV16X-NANO getaufte Nanotube-Rechner ist ähnlich leistungsfähig wie ein Intel 80386-Prozessor – ein 1985 eingeführter Computerchip. Der Nanotube-Rechner führt 32-Bit-Befehle aus, kann kompilierte Programme laufen lassen und verfügt über alle Komponenten der klassischen Mikrochip-Architektur, wie die Forscher berichten.

Das erste Programm, das Hills und sein Team auf ihrem Nanotube-Rechner laufen ließen, ist eines der bekanntesten der Computergeschichte: Es gibt die Botschaft „Hello World!“ aus. Dieses Programm wurde Anfang der 1970er Jahre entwickelt und gilt bis heute als klassischer Test für die Funktionsfähigkeit eines Computers.

Von Röhrchen-„Spaghetti“ zu funktionierenden Transistoren

Der RV16X-NANO getaufte Rechner besteht aus mehr als zehn Millionen Kohlenstoff-Nanoröhrchen, die durch Metalloxid-Anteile zu Halbleitern wurden. Diese Nanotubes deponierten die Forscher zunächst ungeordnet auf einem Halbleiter-Wafer als Unterlage. Die wie Spaghetti zerknäulten Nanoröhrchen bilden dabei jedoch stellenweise Klumpen, die die spätere Funktion behindern. Diese wurden mit einem neu entwickelten Verfahren beseitigt.

Dann versetzten die Forscher die Kohlenstoff-Nanoröhrchen mit Metalloxiden, um sie zu Halbleitern und damit den Grundbausteinen der Transistoren zu machen. „Die energieeffiziente CMOS-Architektur erfordert dabei sowohl n- als auch p-dotierte Nanoröhrchen mit kontrollierbaren Eigenschaften“, erklären Hills und sein Team. Dies erreichten sie mithilfe einer räumlich präzise gesteuerten Ablagerung der Oxide. Dadurch entstanden mehr als 14.000 Nanotube-Transistoren, die zusammen einen 16-Bit-Prozessor bilden.

Nanotube-Transistoren
Nahansicht der Nanotube-Transistoren. © Shulaker et al. / MIT

„Wichtiger Fortschritt“

„Dies ist das größte elektrische CMOS-System, das je aus Nanotechnologie jenseits des Siliziums realisiert wurde“, konstatieren die Forscher. „Diese Arbeit demonstriert damit einen gangbaren Weg hin zu praktisch nutzbaren, nichtsiliziumbasierten Elektroniksystemen.“ Denn der gesamte Produktionsprozess des Nanoröhrchen-Rechners beruht auf Verfahren und Designprinzipien, die in der Elektronikindustrie bereits bekannt und etabliert sind, wie Hills und sein Team erklären.

Als Meilenstein und wichtigen Fortschritt sieht auch Franz Kreupl von der TU München den neuen Nanoröhrchen-Rechner. „Dies ist eine bedeutende Errungenschaft, die viele Forschungsthemen berührt“, schreibt der IT-Forscher in einem begleitenden Kommentar. „Bis das Team über die Markteinführung eines Nanotube-Rechners nachdenken kann, sind allerdings noch einige Anstrengungen nötig.“ Unter anderem müsste die Dichte der Nanoröhrchen weiter erhöht und ihre Länge verringert werden, um den Rechner schneller zu machen. (Nature, 2019; doi: 10.1038/s41586-019-1493-8)

Quelle: Nature

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