Physik

Neue „Elektronenkamera“ zeigt ultraschnelle Prozesse

Terahertzstrahlung macht Elektronendiffraktometer präzise und kompakt

Elektronendiffraktometer
Klein, aber oho: Das neue Terahertz-Elektronendiffraktometer ist so kompakt, dass es auf einen Labortisch passt. © Timm Rohwer/ DESY

Auf neue Art komprimiert: Physiker haben eine neue „Kamera“ für ultraschnelle Prozesse im Inneren von festen Materialien entwickelt. Dabei nutzten sie erstmals Terahertzstrahlung, um die Pulse eines Elektronenstrahls bis auf 180 Femtosekunden zu komprimieren und schärfere Streuungsbilder zu erhalten. Die Terahertz-Nutzung macht das Elektronendiffraktometer klein genug, um auf einen Labortisch zu passen – das eröffnet neue Möglichkeiten, wie die Forscher im Fachmagazin „Ultrafast Science“ berichten.

Ob die Struktur von Gold, den Zerfall von Wassermolekülen oder das Kristallgitter eines neuen Minerals: Wenn Wissenschaftler die Struktur und das Verhalten von Materialien untersuchen möchten, kommen meist fokussierte Röntgenstrahlen zum Einsatz. Die ultraschnellen Pulse eines Röntgenlasers erlauben es, selbst die Details einer chemischen Reaktion einzufangen. Die Streuung – Diffraktion – der Röntgenstrahlung verrät wiederum die Anordnung der Atome und Moleküle in einem Kristallgitter.

Terahertz-Eleketronendiffraktometer
Schematischer Aufbau des Terahertz-Elektronendiffraktometers © Dongfang Zhang/ DESY

Elektronen statt Röntgenstrahlen

Doch die Röntgenstreuung hat einen großen Nachteil: Die energiereiche, kurzwellige Strahlung zerstört empfindliche Proben, so dass vor allem biologische Materialien nur eingeschränkt in diesen Anlagen untersucht werden können. Eine Alternative dazu sind Elektronenstrahlen, die weniger Energie an die Proben abgeben. Allerdings ist die Erzeugung ultrakurzer und zeitlich präziser Pulse bei solchen Elektronendiffraktometern sehr aufwendig und erfordert große Anlagen.

„Je kürzer der Puls, desto kürzer die Belichtungszeit. Typischerweise liegt die Pulslänge und damit die Belichtungszeit bei der Ultraschnellen Elektronen-Diffraktion (UED) bei rund 100 Femtosekunden, das sind 0,1 billionstel Sekunden“, erläutert Erstautor Dongfang Zhang vom Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg.

Terahertzstrahlung statt Radiowellen

Um die Elektronendiffraktometer kleiner und präziser zu machen, haben Zhang und seine Kollegen nun erstmals Terahertz- statt Radiostrahlung genutzt, um die Pulse einer Elektronenkanone zu komprimieren. Weil die Terahertzstrahlung eine hundertmal kürzere Wellenlänge hat, können auch die Beschleunigerkomponenten entsprechend verkleinert werden – die ganze Anlage passt dadurch auf einen Labortisch.

Die Strahlung eines UV-Lasers wird dafür in Terahertzpulse umgewandelt, die dann den Strahl einer Elektronenkanone quasi in Stücke hacken und die Pulse komprimieren. Ein anderer Teil der Laserstrahlung wird verwendet, um die Probe anzuregen. Um beispielsweise Schnappschüsse einer chemischen Reaktion einzufangen, müssen dieser auslösende Laserpuls und der messende Elektronenpuls in genau dem richtigen Zeitabstand aufeinander folgen.

„Unser System ist perfekt synchronisiert, denn wir benutzen denselben Laser für alle Schritte: Erzeugen, Manipulieren, Messen und Komprimieren der Elektronenpakete ebenso wie Erzeugen der Terahertz-Strahlung und sogar zum Aufheizen der Probe“, erklärt Seniorautor Franz Kärtner vom DESY. Das Timing der Pulse und Messungen ist im neuartigen Terahertz-Elektronendiffraktometer deutlich präziser als bei herkömmlichen Anlagen.

Blick ins Silizium

Wie präzise das neue System tatsächlich ist, haben Zhang und seine Kollegen an einer dünnen Silizium-Probe getestet. Dafür erzeugten sie Pakete von je rund 10.000 Elektronen, die jeweils nur 180 Femtosekunden lang waren. Diese Pakete schossen sie auf eine hauchdünne Siliziumprobe und fingen das resultierende Streuungsmuster der Elektronen ein.

Die resultierenden Diffraktionsbilder zeigten deutlich, wie sich das Kristallgitter des Siliziums innerhalb rund einer Pikosekunde nach dem Laserbeschuss ausdehnte. „Das Verhalten von Silizium unter diesen Bedingungen ist sehr gut bekannt, und unsere Messungen passen perfekt zur Erwartung, was die korrekte Funktion unserer Anlage belegt“, sagt Zhang.

Kompakteres Werkzeug für die Forschung

Wie die Wissenschaftler erklären, lässt sich die Dauer der Elektronenpakete in einem optimierten Aufbau noch auf deutlich unter 100 Femtosekunden komprimieren, Dies würde noch kürzere Schnappschüsse und damit eine höhere zeitliche Auflösung der Messungen ermöglichen. Auch die Beschleunigung und damit der Energiegehalt der Elektronen ließe sich noch verbessern, damit auch dickere Proben durchleuchtet werden können.

„Diese Technologie kann Leistungen erreichen, die deutlich über den aktuell gängigen Stand hinausgehen – und das in einem sowohl kompakten wie ökonomischen Paket“, so das Team. „Ein solches Gerät repräsentiert damit einen signifikanten Schritt hin zu einem für erschwinglichen Werkzeug für die Erforschung der Strukturdynamik auf der atomaren Ebene.“ (Ultrafast Science, 2021; doi: 10.34133/2021/9848526)

Quelle: Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY

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