Tiefenschärfe auf kleinstem Raum: Forscher haben eine Linse entwickelt, die ohne Fokussieren eine hohe Tiefenschärfe erreicht. Dadurch kann sie selbst verschieden weit entfernte Objekte auf einen Blick scharfstellen. Möglich wird dies durch eine nanostrukturierte Oberfläche, deren Ringe das Licht auf komplexe Weise brechen. Künftig könnte solche Linsen unter anderem in Handykameras, Endoskopen oder auch autonom fahrenden Autos zum Einsatz kommen.
Linsen sind für Kameras, Mikroskope oder Teleskope unverzichtbar. Solche optischen Systeme fokussieren meist, indem sie den Abstand der Linsen vom Bildsensor verändern. Doch bei den flachen Kameras der Smartphones ist das nicht möglich. Wenn sie Objekte abbilden sollen, die unterschiedlich weit entfernt sind, benötigen sie daher oft ein System aus mehreren Linsen.
Verschiedene Tiefenschärfen mit einer Linse
Doch Forscher um Sourangsu Banerji von der University of Utah haben nun eine Möglichkeit gefunden, mit der diese komplexe Linsen-Anordnung obsolet wird. Dazu ist lediglich eine einzige, nur etwa einen Hundertstel Millimeter dünne Linse erforderlich. „Mit dem neuen Objektiv entfällt die Notwendigkeit der Fokussierung und jede Kamera kann alle Objekte gleichzeitig scharf stellen.“, sagt Banerjis Kollege Rajesh Menon. „Da unser Ansatz eher auf ein generelles Design setzt, können wir damit auch eine einzige flache Linse herstellen, die alle Lichtfarben fokussiert, was die Kameras noch weiter vereinfacht.“
Um Licht zu fokussieren, brechen herkömmliche Linsen die auf sie treffenden parallelen Lichtwellen und wandeln sie in sphärische Wellen um: Sie lenken sie so um, dass sie in einem Brennpunkt zusammenlaufen. Doch wie die Forscher herausfanden, lässt sich dieser Fokuseffekt auch durch andere Brechungsmuster und Wellenformen erreichen. „Im Gegensatz zu dem, was in den Lehrbüchern für Optik gelehrt wird, hat unsere Forschung gezeigt, dass es mehr als nur eine Möglichkeit gibt, die Lichtübertragung durch eine ideale Linse zu beeinflussen – ein Konzept, das als Pupillen- oder Aperturfunktion bekannt ist.“, erklärt Menon.
Erfolgreiche Tests der ultradünnen Linse
Auf Basis dieser Erkenntnisse haben Banerji und sein Team nun eine sogenannte Multilevel Diffraktionslinse entwickelt. Diese flache, nur wenige Mikrometer dünne Linse trägt auf ihrer Oberfläche ringförmge Nanostrukturen. Diese brechen das Licht in einem jeweils unterschiedlichen Winkel. Dadurch kann die Linse eine große Tiefenschärfe erreichen und selbst unterschiedlich weit entfernte Objekte scharf abbilden – trotz ihrer flachen, dünnen Form.
Erste Tests der Multilevel-Diffraktionslinse ergaben, dass die Linse einen parallelen Lichtstrahl auf einer Strecke von fünf bis 1.200 Millimetern fokussieren kann. Sie kann zudem zwei Objekte, die etwa sechs Meter voneinander entfernt sind, dennoch beide scharf abbilden. Bisher wurden die Tests zwar nur mit infrarotem Licht durchgeführt, die Forscher planen aber bereits eine Weiterentwicklung, die dann im gesamten Bereich des sichtbaren Lichts funktionieren soll.
Von Smartphone-Kameras bis zum autonomen Fahren
„Wir haben gezeigt, dass es mit entsprechendem Design der Multilevel-Diffraktionslinse möglich ist, die Tiefenschärfe gegenüber herkömmlichen Brechungslinsen um das Tausendfache zu erhöhen“, konstatieren Banerji und seine Kollegen. Diese neue Technologie könnte sich daher für zahlreiche Anwendungen eignen: „Solche Optiken könnten dünnere Smartphone-Kameras, verbesserte und kleinere Kameras für die biomedizinische Bildgebung, wie beispielsweise die Endoskopie, und kompaktere Kameras für Automobile ermöglichen.“, sagt Menon.
Auch lasergestützte Messysteme wie das LIDAR könnten von der neuen Linsentechnik profitieren. Die LIDAR-Technik (light detection and ranging) nutzt Laserstrahlen für die hochauflösende Geschwindigkeits- und Abstandsmessung und wird unter anderem bei selbstfahrenden Autos eingesetzt. (Optica, 2020; doi: 10.1364/OPTICA.384164)
Quelle: The Optical Society