Die Antwort auf eine der spannendsten Fragen der Teilchenphysik scheint zum Greifen nahe: Die Wissenschaftler am Genfer Forschungszentrum CERN haben erste Anzeichen für das Higgs-Boson ausfindig gemacht und rechnen nun damit, dass ihnen schon bald der zweifelsfreie Nachweis des mit großem Aufwand gesuchten Teilchens gelingen wird. Es ist das letzte Puzzle-Stückchen, das im Standardmodell der Physik noch fehlt, um den Aufbau der Materie zu erklären. Sein endgültiger Nachweis käme einer Sensation gleich.
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Das Higgs-Teilchen war vor fast 50 Jahren vorhergesagt worden und ist nach dem britischen Physiker Peter Higgs benannt. Seitdem suchen die Wissenschaftler weltweit danach. Seine Entdeckung würde erklären, woher alle anderen elementaren Teilchen ihre Masse haben. Schon zwei Jahre nach dem Start haben die Proton-Proton-Kollisionen des Teilchenbeschleunigers LHC jetzt Ergebnisse geliefert, die die Forscher hoffen lassen.
Masse des Higgs-Bosons stark eingegrenzt
„Zum jetzigen Zeitpunkt können wir zwei Aussagen machen“, sagt Volker Büscher vom Institut für Physik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). „Zum einen: Wenn das Higgs-Boson tatsächlich die vermuteten Eigenschaften hat, dann muss seine Masse zwischen 115 und 131 Giga-Elektronenvolt liegen – eine deutlich bessere Eingrenzung als noch vor einem Jahr. Zum anderen haben wir einen bemerkenswerten, interessanten Überschuss an Ereignissen gefunden, der ein erster direkter Hinweis auf ein Higgs-Boson der Masse im Bereich um 125 GeV sein könnte.“ Die Experimente am CERN werden im nächsten Jahr weitergeführt. Wenn sich die Hinweise bestätigen, wäre das Higgs-Boson ungefähr 125 Mal so schwer wie ein Proton.
Daten von zwei Detektoren am LHC
„Möglicherweise haben wir tatsächlich den ersten Hinweis auf das Higgs-Teilchen beobachtet, aber noch ist es zu früh für eine definitive Aussage“, sagt Büscher. Wenn sich diese Hinweise aber als richtig herausstellen sollten, liefern die jetzt analysierten Daten erstmals direkte Informationen über die Masse des Higgs-Bosons. Die Daten stammen vor allem vom ATLAS-Experiment, einem der beiden großen Experimente am LHC. Der ATLAS-Detektor ist 46 Meter lang, 25 Meter hoch und 25 Meter breit. Er ist in der Lage, die neuen Teilchen, die bei den Protonenkollisionen entstehen, festzustellen und präzise zu vermessen. Am ATLAS-Experiment nehmen insgesamt etwa 3.000 Forscher aus der ganzen Welt teil.
Neben diesen neuen Daten vom ATLAS-Detektor, an denen auch die Mainzer Physiker beteiligt sind, sieht auch der zweite große Teilchendetektor am LHC, der Compact Muon Solenoid (CMS), ähnliche Anzeichen. Noch spricht aber kein Wissenschaftler von einer Entdeckung, denn dafür ist es noch zu früh: Die Zahl der beobachteten Ereignisse ist noch nicht groß genug, als dass ein Zufallseffekt statistisch zweifelsfrei auszuschließen wäre. Aber allein die Tatsache, dass zwei unabhängige Experimente, ATLAS und CMS, in die gleiche Richtung weisen, sorgt für Aufregung und gibt Hoffnung, dass es sich hier tatsächlich um das mysteriöse Higgs-Teilchen handeln könnte.
Das Higgs-Feld ist überall
Nach den Vorstellungen der Physiker ist der gesamte Weltraum von dem sogenannten Higgs-Feld durchdrungen. Je nachdem wie stark die einzelnen Elementarteilchen an die Higgs-Bosonen koppeln, hätten sie mehr oder weniger Masse. Wird das fehlende Teilchen tatsächlich entdeckt, ist dies nicht nur die Bestätigung für ein Modell, sondern markiert zugleich den Aufbruch in eine neue Forschungswelt. Der LHC bietet – zumal bei einer noch höheren Energie der Protonenstrahlen ab 2014 – die idealen Voraussetzungen, um das Higgs-Feld und damit den Ursprung der Masse genau zu untersuchen.
(CERN, Universität Mainz, 14.12.2011 – NPO)