In der Ära der Smartphones und Tablets schauen Nutzer Videos zunehmend unterwegs. Die Folge: Das Handynetz ist schnell überlastet. Fraunhofer-Forscher haben jetzt einen neuen Videokompressionsstandard (HEVC) entwickelt, der in Kombination mit dem neuen Mobilfunkstandard LTE die Netze spürbar entlastet. Die jetzt vorgestellte Kompressionstechnik soll in wenigen Monaten einsatzbereit sein.
Egal ob auf einer langen Zugfahrt, im Café oder zuhause auf der Couch – mit Smartphones und Tablet-Computern können wir Videos überall und jederzeit anschauen. Für den Nutzer komfortabel, wirft diese Entwicklung jedoch auch Probleme auf: Da die heruntergeladenen Videoinhalte meist sehr groß sind, überlasten sie das Handynetz zunehmend. Die Bildqualität sinkt, zudem haben die Videos lange Ladezeiten. Teilweise müssen Anwender sogar unfreiwillige Pausen beim Anschauen einlegen, da die Daten nicht schnell genug nachgeladen werden können.
LTE statt UMTS
Soll das Netz dem Ansturm gewachsen sein, müssen neue Übertragungsarten her. Daran arbeiten Forscher des Fraunhofer-Instituts für Nachrichtentechnik, Heinrich-Hertz-Institut HHI in Berlin. „Wir kombinieren den neuen Mobilfunkstandard LTE mit dem Videokompressionsstandard HEVC – und verbinden somit die Vorteile beider Technologien“, sagt Thomas Schierl, Gruppenleiter am HHI. Doch was genau steckt hinter den beiden etwas sperrigen Begriffen? Handytelefone, Internetseiten und Videos werden momentan über den Standard UMTS übertragen. Nun soll LTE, kurz für Long Term Evolution, das langsamere UMTS-Netz ablösen. Wird beispielsweise im iPhone die Verbindung „3G“ angezeigt, steckt UMTS dahinter.
Künftig aber sollen die Verbindungen schneller werden: Dann kommt – je nach Anbieter – die Anzeige 4G oder LTE dazu. LTE schafft zunächst 100 Megabit pro Sekunde, in weiteren Ausbaustufen dann sogar bis zu 300 Megabit pro Sekunde. Zum Vergleich: UMTS liegt bei maximal 28 Megabit pro Sekunde. Das heißt: Über LTE laden Tablet-Computer Inhalte etwa drei- bis viermal schneller. Das ist vor allem in ländlichen Bereichen interessant: Hier sind die Zellen des Netzes so groß, dass die Datenrate oft kaum ausreicht, um Videos oder andere große Inhalte mobil herunterzuladen.
Die LTE-Netze übertragen Videos und andere Datenmengen nicht nur schneller, sie haben auch kürzere Verzögerungszeiten. Das ist vor allem wichtig für Videokonferenzen, bei denen man nicht erst warten möchte, bis die Antwort des Konferenzpartners übertragen ist. „LTE ermöglicht es, Ressourcen sehr flexibel an Mobilfunknutzer zu verteilen“, sagt Thomas Wirth, Gruppenleiter am HHI. „Zusätzlich transportieren neue Protokolle Informationen über die Applikation, die ein Anwender verwendet – so lässt sich die Übertragung weiter optimieren.“
Halbe Bandbreite bei voller Qualität
Um Videos noch schneller auf die mobilen Geräte zu bringen, koppeln die Forscher das bereits schnelle LTE mit dem Videokompressionsstandard „High Efficiency Video Coding“, kurz HEVC. Maßgebliche Technologien zu HEVC haben Forscher vom HHI zusammen mit namhaften Elektronikherstellern entwickelt. Der Vorteil von HEVC: Der Standard benötigt zur Videoübertragung in hoher Qualität nur die halbe Bandbreite, kann also doppelt so viele Endgeräte bedienen wie der bisherige Standard H.264/MPEG-4 AVC. Doch wie ist das gelungen?
„Es wurden viele Konzepte von H.264 übernommen und konsequent weiterentwickelt“, erklärt Schierl. „Ein Beispiel ist die Blockgröße: Während H.264 das zu übertragende Bild in Blöcke von maximal 16 mal 16 Pixeln unterteilt, kann man die maximale Blockgröße mit HEVC wesentlich flexibler wählen – von 16 mal 16 bis zu 64 mal 64 Pixeln. Mit Hilfe größerer Blöcke lassen sich vor allem Videos in High Definition HD deutlich effizienter kodieren.“ Bewegt sich etwa ein Objekt innerhalb eines Videos, kann man diese Bewegung beschreiben. Videokompressionsstandards ermitteln daher für jeden Block eine Bewegungsinformation, die typischerweise einmal pro Block übertragen wird. Da sich die Blöcke bei HEVC wesentlich größer und flexibler wählen lassen als bei H.264, sind entsprechend weniger Bewegungsdaten nötig.
„Die Kombination der beiden Standards wird das Userverhalten verändern“, ist sich Schierl sicher. „Denn das mobile Internet ist heute schon schneller als der typische DSL-Anschluss zuhause. Viele Nutzer dürften daher auch daheim über LTE ins Internet gehen.“ Auf dem Mobile World Congress vom 25. bis 28. Februar in Barcelona stellen die Forscher ihre Entwicklung vor, die in wenigen Monaten einsatzbereit sein soll.
(Fraunhofer Gesellschaft, 04.02.2013 – NPO)